Christoph Sarrazin, Wiesbaden
Neue Daten – Neue Ideen

In diesem Jahr gab es auf dem amerikanischen und internationalen Leberkongress viele neue Daten. Hep&more sprach mit Prof. Christoph Sarrazin über resultierende Änderungen bei der Hepatitis C.

Wird sich etwas an der Indikation ändern?

Prof. Sarrazin: Die chronische Hepatitis C ist und bleibt eine Indikation zur Therapie und zwar unabhängig davon, ob eine Zirrhose vorliegt oder nicht. Wir haben aber gelernt, dass die Heilungsraten bei Patienten mit dekompensierter Zirrhose etwas schlechter ist, und auch die Rate an Komplikationen mit dem Schweregrad des Leberumbaus zunimmt. Insbesondere Dekompensationen unter der Therapie stellen eine Gefahr dar. Es scheint einen Point of No Return zu geben und eine Heilung der Hepatitis C führt bei fortgeschrittener Zirrhose nicht automatisch zu einer Verbesserung der klinischen Situation.

Wann raten Sie von einer Therapie ab?

Prof. Sarrazin: Den sogenannten Point of No Return gibt es, aber wo dieser genau liegt, ist schwer zu sagen. In einigen Studien wurde ein bestimmter MELD-Score festgelegt, ab dem das Risiko einer Therapie den Nutzen überwiegt. Ich denke allerdings, hier muss man individuell entscheiden, denn der MELD wird von verschiedenen Parametern getrieben. Besonders ungünstig war das Endergebnis bei Patienten mit schwerer portaler Hypertension und/oder Synthesestörungen. Hier scheint die Behandlung der Zirrhose und damit die Lebertransplantation zunächst im Vordergrund zu stehen als die Elimination des Virus.

Wie sehen Sie die Therapie der akuten
Hepatitis C?

Prof. Sarrazin: Hier sehe ich eine klare Indikation für den Einsatz von DAAs. Es ist medizinisch nicht gerechtfertigt, diesen Patienten, die am leichtesten zu heilen sind, die längste und nebenwirkungsreichste Behandlung aufzubürden, die ja aktuell noch in der Gabe von PEG-Interferon und ggf. zusätzlich Ribavirin über 24 Wochen bestehen würde. Die Studien sind zwar klein, aber die Datenlage ist überzeugend. In der deutschen Studie zur akuten Hepatitis C konnte mit einem nukleosidischen Polymerasehemmer wie Sofosbuvir plus einem NS5A-Inhibitor wie Ledipasvir über 6 Wochen bei allen Patienten eine Viruseradikation erreicht werden, so dass die zukünftige Standardtherapie bei diesen Patienten in einer solchen Behandlung über praktikablerweise 8 Wochen bestehen sollte.

Beim Gentotyp 1 gibt es mittlerweile vier Therapieoptionen. Sind diese alle gleich gut?

Prof. Sarrazin: Wenn die Regime entsprechend der Indikation eingesetzt werden, sind die SVR-Raten durchaus vergleichbar. Allerdings liegen keine direkt vergleichenden Studien vor. Unterschiede gibt es in der Therapiedauer, Kontraindikationen, Wechselwirkungen und der Zugabe von Ribavirin. Bei einfach zu behandelnden Patienten ohne Zirrhose sind acht Wochen Sofosbuvir/Ledipasvir eine gute Wahl. Bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion kann man Sofosbuvir nicht einsetzen, aber das 3D-Regime oder Grazoprevir/Elbasvir. Diese beiden Regime können ebenfalls beim GT1b ohne Ribavirin und einer Dauer von 12 Wochen für viele Patienten eingetzt werden. Beim GT1a braucht man zusätzlich Ribavirin beim Einsatz des 3D-Regimes. Bei der Gabe von Grazoprevir/Elbasvir aber nur wenn eine bestimmte Resistenzmutation vorliegt. Sofosbuvir/Velpatasvir hat in den Zulassungsstudien sehr gute Heilungsraten bei allen HCV Genotypen und einer Therapiedauer von 12 Wochen gezeigt, hier fehlt allerdings noch die Erfahrung im klinischen Alltag.

Bei GT3 gibt es zwei Interferon-freie Optionen: Sofosbuvir plus Daclatastvir oder Sofosvubir/Velpatasvir ....

Prof. Sarrazin: Das ist richtig, 24 Wochen Sofosbuvir/Ribavirin sind nun eigentlich nicht mehr als Standardtherapie einzusetzen. Dagegen sind beide genannten Regime gleichermaßen sehr gut wirksam. Bei GT3a ohne Zirrhose liegen die Heilungsraten bei fast 100% – sofern keine Y93-Mutation vorliegt, die die Wirksamkeit des NS5A-Inhibitors in beiden Regimen mit einer SVR Rate nur noch um maximal 80% deutlich einschränkt. Hier sollte man z.B. zusätzlich Ribavirin zugeben, wenngleich prospektiv kontrollierte Daten zur Wirksamkeit noch fehlen..

Für mich ist daher beim thearpienaiven Patienten mit GT3 ohne Zirrhose eine Resistenztestung vor Therapiebeginn durchaus sinnvoll.

Ein weiteres Problem sind wirtschaftliche Aspekte. Leider ist die Marksituation nicht transparent und durch den hohen Preis von Sofosbuvir eine Kombinationstherapie mit anderen DAAs immer noch sehr hochpreisig. Medizinisch wäre es für die Patienten sicher wünschenswert eine größere Auswahlmöglichkeit bei der Behandlung zu haben.

Sichtwort Retherapie nach Relaps. Die erneute Behandlung ist immer noch ein schwieriges Gebiet. Wie machen Sie es?

Prof. Sarrazin: Ich sehe da zwei Wege: eine gezielte Behandlung auf der Grundlage eines Resistenztests oder eine breite „Multitarget-Therapie“, d.h. Polymerasehemmer plus Proteasehemmer plus NS5A–Inhibitor plus gebenenfalls Ribavirin über 12 bis 24 Wochen. Eine Alternative ist Warten auf neue Substanzen, die in etwa zwei Jahren kommen und dann durch ein verbessertes Resistenzprofil eine hohe Wirksamkeit auch bei Relapse-Patienten aufweisen. Die in Sofosbuvir-Studien gezeigte Möglichkeit einer Retherapie mit mehr oder weniger dem gleichen Regime über 24 Wochen, ist für mich keine gute Option, da hierbei eine Heilungsrate bei Patienten mit Resistenzen, die bei einem Relapse in ca. 80% der Fälle zu erwarten sind, von lediglich 60% errreicht wurde.

Preise spielen bei der Auswahl von Medikamenten eine wichtige Rolle und Konkurrenz drückt bekanntermaßen den Preis. Sehen Sie bei den DAA da eine Bewegung nach unten?

Prof. Sarrazin: Doch, ich sehe Licht am Horizont. In den USA hat MSD ein Signal gesetzt. Grazoprevir/Elbasvir ist dort deutlich günstiger als die Konkurrenz. Der Preis in Deutschland steht noch nicht fest, aber ich hoffe, dass es auch bei uns zu günstigeren Preisen kommt. Wir sollten in Deutschland sicherlich in jedem Fall auf ein Preisniveau kommen, das mit den anderen westlichen Industrienationen vergleichbar ist, bei denen bereits aktuell die Preise für die DAA-Kombinationstherapien deutlich günstiger sind.

Was halten Sie von den geheimen Rabatt-Verträgen der DAA-Hersteller mit den Krankenhassen?

Prof. Sarrazin: Seit Jahren wird ein Höchstmaß an Transparenz in der Medizin gefordert. Auch der AMNOG-Prozeß fordert höchste Transparenz bei Evidenz der Studien, Indikation, Abrechenbarkeit, Mehrwert usw. Da wird jede Zahl dreimal umgedreht. Doch wenn das Verfahren dann abgeschlossen ist, ist die Situation sehr intransparent. Die Gespräche der Preisfindung sind nicht öffentlich, die Rabattverträge sind geheim und nicht allgemein gültig. Hier brauchen wir deutlich mehr Transparenz und auch Flexibilität, wie in unseren Europäischen Nachbarländern.

Es ist viel von Elimination der Hepatitis C die Rede. Gibt es da schon konkrete nationale Projekte?

Prof. Sarrazin: Prof. Sarrazin: Es gibt eine Willenserklärung zahlreicher verantwortlicher Gremien, konkrete Maßnahmen sind mir aber nicht bekannt. Die Elimination ist ein hohes Ziel. Das ist nicht einfach zu erreichen, weil wir keine Impfung gegen das Hepatitis C Virus auf absehbare Zeit haben. Aber wir können etwas tun, um die weitere Ausbreitung von Hepatitis C zu verhindern, nämlich die Infektionsketten in den Risikogruppen zu unterbrechen. Die höchsten Neuinfektionsraten haben IV-Drogengebraucher und MSM. Hier sollte wir aufklären und auch trotz der Gefahr der Reinfektion möglichst breit behandeln. Geheilte Patienten können niemand mehr anstecken und somit kann die Infektionskette unterbrochen werden.



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