HBV-Prophylaxe nach Stichverletzungen im Gesundheitsdienst
Die nachfolgenden Ausführungen sollen der beratenden Unterstützung von Kollegen bei der Durchführung der
Postexpositionsprophylaxe nach Stichverletzungen dienen. Die Entscheidung über das konkrete Vorgehen muss jedoch je nach
den spezifischen Bedingungen des Einzelfalles vom behandelnden Arzt eigenverantwortlich und mit Einwilligung des
Patienten getroffen werden.
Welche Maßnahmen nach einer Exposition gegenüber potentiell HBV-haltigem Material
erforderlich sind, ist jeweils individuell nach "Fall-Konstellation" festzulegen:
Für aktiv gegen Hepatitis B geimpfte Personen gilt:
Ist die exponierte Person vollständig und erfolgreich aktiv gegen Hepatitis B geimpft (d.h. das Anti-HBs war nach der Grundimmunisierung bzw. der letzten Booster-Impfun g > 100 IE/l) und die letzte Impfung liegt weniger als 10 Jahre zurück, sind keine speziellen Maßnahmen bzgl. Hepatitis B erforderlich. |
Falls die erfolgreiche Grundimmunisierung mehr als 10 Jahre zurückliegt, sind ebenfalls keine spezielle Maßnahmen bzgl. Hepatitis B erforderlich, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
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Wenn weder a) noch b) zutrifft, ist eine sofortige Bestimmung des Anti-HBs-Titers zu veranlassen – weiteres Vorgehen je nach aktuellem Anti-HBs-Titer: bei Anti-HBs-Titer >100 IE/l sind keine speziellen Maßnahmen bzgl. Hepatitis B erfordlich, bei Anti-HBs-Titern <100 IE/l Booster-Impfung mit Aktiv-Impfstoff. |
Treffen diese Aussagen nicht zu ist ein differenziertes Vorgehen erforderlich:
- Feststellung ob tatsächlich mit der Übertragung von HBV zu rechnen ist:
Bei folgenden Konstellationen muss mit der Übertragung von HBV gerechnet werden:- wenn das Material gesichert HBV-haltig ist (HBsAG im Spendermaterial positiv, erforderlichenfalls ist hierzu das „Spender“- Blut zu untersuchen).
- wenn eine HBsAG-Bestimmung aus dem „Spender“- Blut nicht bzw. nicht rechtzeitig möglich ist (z.B. bei unbekanntem Spender, weil die Nadel aus dem Abfall stammt oder aus labortechnischen oder organisatorischen Gründen die HBsAG-Bestimmung länger als 48h dauert um die ggf. erforderlichen Maßnahmen noch rechtzeitig durchzuführen).
Falls nicht mit der Übertragung von HBV zu rechnen ist sind keine speziellen Maßnahmen zur Verhütung einer Hepatitis B Infektion erforderlich. Allerdings sollte bei Personen ohne Immunität gegen Hepatitis B eine Immunisierung begonnen bzw. ggf. eine Auffrischimpfung - vom Betriebsarzt - durchgeführt werden.
- Falls mit der Übertragung von HBV zu rechnen ist:
Bisher nicht Geimpfte: |
sofortige Simultanimpfung mit Aktiv-Impfstoff und HB-Immunglobulin (*) |
Non-Responder: |
sofortige Simultanimpfung mit Aktiv-Impfstoff und HB- Immunglobulin (*) |
Erfolgreich Geimpfte: |
Testung des anti-HBs Titers innerhalb 48 Stunden |
"Low-Responder": |
siehe nachfolgendes Schema |
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Erforderlich ist die Gabe von |
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Aktueller Anti-HBs-Wert |
Aktiv-HB Impfstoff (*) |
HB-Immunglobulin (*) |
> 100 IE/l |
nein |
nein |
10 - 100 IE/l |
ja |
nein (1) |
< 10 IE/l |
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bei Low-Respondern: ja |
bei erfolgreich Geimpften: |
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Kann nicht innerhalb von 48 Stunden untersucht werden |
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bei Low-Respondern: ja |
bei erfolgreich Geimpften: |
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(*) Angaben zur Dosierung finden Sie am Ende des Beitrags. |
Liegt das Ereignis (z.B. Nadelstichverletzung) länger als 48 h zurück, so empfehlen wir vor der Gabe von
Immunglobulin die Rücksprache mit einem hepatologischen Zentrum oder dem Kompetenznetz-Hepatitis. (In Deutschland wird
derzeit die Gabe von Immunglobulin nur bis zu 48 h postexpositionell empfohlen, während dies in anderen Ländern, z.B.
den USA, anders gehandhabt wird; hier geht man von einem positiven Schutzeffekt bis zu 7 Tagen postexpositionell aus.)
Unabhängig davon ist aber unbedingt eine Aktivimpfung durchzuführen.
Postexpositionelle Kontrolluntersuchungen:
Immer dann, wenn wegen nicht gesicherter Immunität spezielle Maßnahmen zur Prävention einer Übertragung von Hepatits B erforderlich waren, müssen nachfolgend serologische Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden. Folgende Untersuchungen sollten erfolgen:
- Nach 12 Wochen (3Monaten): GOT und GPT, anti-HBc
- Nach 26 Wochen (6Monaten): GOT und GPT, anti-HBc
Je nach den Ergebnissen sind ggf. weitere Untersuchungen (Kontrolle von HBs-Ag und HBV-DNA) und die Anzeige einer Berufskrankheit erforderlich. Darüber hinaus ist – durch den Betriebsarzt – ggf. eine Grundimmunisierung gegen Hepatitis B zu vervollständigen und zu überprüfen, ob die Aktiv-Impfung zu einem ausreichenden Anti-HBs-Titer geführt hat.
Allgemeine Hinweise zum Praktischen Vorgehen:
Die Impf- und Titer- Anamnese ist von entscheidender Bedeutung für das Vorgehen im Einzelfall. Erforderlichenfalls sollte daher Kontakt mit dem Arzt aufgenommen werden, der die betreffende Person betriebsärztlich betreut.
Wenn die Kontaktaufnahme mit dem Betriebsarzt nicht möglich ist, sollte man versuchen mit gezielten Fragen herauszufinden, ob von einem ausreichenden Schutz gegen Hepatitis B ausgegangen werden kann. Wurde die betreffende Person mindestens 3 mal gegen Hepatitis B geimpft? Wenn ja: wann war dies? Wurde hinterher bei einer Titerüberprüfung ein ausreichender Schutz festgestellt –oder wurden weitere Impfungen empfohlen und auch durchgeführt?
Wenn Zweifel an der Immunität bestehen bleiben sollte eine aktuelle anti-HBs-Bestimmung durchgeführt und das weitere Vorgehen je nach dem Ergebnis dieser Untersuchung festgelegt werden.
Präparate und Dosierung:
aktive Impfung: |
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Engerix® (GSK) |
1 Dosis (20µg) |
Gen H-B-Vax ® (Aventis) |
1 Dosis (10µg) |
HBVAXPRO 10® (Aventis) |
1 Dosis (10µg) |
passive Impfung: |
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Hepatect® (Biotest) |
6-10 IE (0,12-0,20) ml/kg KG i.v. |
Hepatect CP® (Biotest) |
8-10 IE (0,16-0,20) ml/kg KG i.v. |
Hepatitis-B-Immunglobulin Behring® (Aventis Behring) |
0,06 ml/kg KG i.m. |
Wichtiger Hinweis: Angabe der Dosierung nach bestem Wissen. Jedoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Keine Gewähr bzw. Anspruch auf Vollständigkeit. |