Versorgung von Patient*innen mit Opioidabhängigkeit:
Lebensqualität bei Hepatitis-C-Betroffenen verbessern
29. November 2023
Vom 03. bis 05.11.2023 fand in Leipzig der Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin e.V. (DGS) statt. Unter dem Motto „Besser anders leben“ diskutierten die Expert*innen Beatrice Gospodinov (Saarbrücken), Prof. Joachim Körkel (Nürnberg) und Olaf Ostermann (München) in einer interaktiven Talk-Runde verschiedene Herausforderungen beim Management opioidabhängiger Patient*innen mit Hepatitis C. Vorgestellt wurden auch neue Ergebnisse zur längerfristigen Lebensqualität nach einer Hepatitis-C-Virus (HCV)-Therapie.
Die aktuelle epidemiologische Hepatitis-C-Situation in Deutschland zeigt einen Anstieg der Neudiagnosen, die derzeit auf einem Allzeithoch liegen.1 Offenbar findet auch eine Trendwende bei den Behandlungszahlen statt. Diese steigen – nach einem über Jahre anhaltenden deutlichen Abfall – seit rund zwei Jahren zumindest leicht an.2 Dennoch klafft weiterhin eine große Lücke zwischen diagnostizierten und behandelten Hepatitis-C-Fällen. Dabei hat die untherapierte chronische# Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus ein hohes Risiko für Leberversagen, die Entwicklung hepatozellulärer Karzinome (HCC) und relevante extrahepatische Manifestationen.3 Eine Ausheilung der HCV-Infektion kann das Morbiditätsrisiko deutlich senken4 und die Lebensqualität verbessern5.
Menschen mit Opioidabhängigkeit: Was sind Ziele der Betroffenen?
Bei Patient*innen mit Opioidabhängigkeit bzw. Suchterfahrung ist die Hepatitis-C-Prävalenz besonders hoch.6 Doch gerade diese Gruppe ist oft schwer erreichbar für eine Diagnose und Behandlung. Selbst wenn eine chronische HCV-Infektion festgestellt wurde, gehen noch immer viele Patient*innen für die Therapie verloren.7 Dabei ist das Interesse an der eigenen Gesundheit in dieser Gruppe durchaus hoch, wie eine Studie in 10 europäischen Ländern zeigt: Hier wurde analysiert, aus welchen Gründen Menschen mit Opioidabhängigkeit eine Behandlung suchten.8 Mehr als 60 % der Befragten gaben an, dass sie sich eine Verbesserung ihrer gesundheitlichen Situation erhofften.8 Dieses Ergebnis unterstreicht, dass die Gesundheit für viele Opioidabhängige ein zentrales Thema darstellt – ein wichtiger Aspekt auch im Hinblick auf die Motivation für eine Therapie mit Hepatitis.
Dennoch gibt es weiterhin Barrieren für die zeitnahe Einleitung einer HCV-Therapie nach Diagnose. Hierbei spielen vor allem Ängste der Patient*innen und historische Barrieren eine Rolle, so das Ergebnis einer Auswertung aus dem Deutschen Hepatitis-C-Register (DHC-R).9 Der am häufigsten dokumentierte Grund für eine Nichtbehandlung oder für das Verschieben einer Therapie war die Ablehnung der Behandlung durch die Patient*innen (42 %), z. B. aus Angst vor Nebenwirkungen (13 %). Weitere Gründe gegen eine Therapie, die von Ärzt*innen häufig genannt wurden, betrafen aktiven Drogenkonsum (15 %), psychiatrische (8 %) oder andere (15 %) Komorbiditäten, eine von Ärzt*innen vermutete oder beobachtete mangelnde Compliance (15 %) oder ein hohes Alter der Patient*innen (11 %).9
Therapieabschluss- und Erfolgsraten sind unabhängig von Suchterfahrung
Tatsächlich lassen sich heutzutage nahezu alle Patient*innen mit chronischer Hepatitis C mit einem pangenotypischen DAA-Regime (direkt antiviral wirksame Arzneimittel) innerhalb von meist 8 bis 12 Wochen quasi nebenwirkungsfrei therapieren und können in über 95 % der Fälle geheilt§ werden.7,10 Aufwändige Voruntersuchungen sind in der Regel nicht notwendig, benötigt werden lediglich allgemeine Laborwerte zur Nieren- und Leberfunktion sowie ein Blutbild.7
Der Therapieerfolg, d. h. ein anhaltendes virologisches Ansprechen (sustained virologic response, SVR), zeigt sich dabei unabhängig von der Suchterfahrung. Dies bestätigen Daten von Menschen mit aktuellem oder ehemaligem intravenösem Drogenkonsum oder Opioid-Substitutionstherapie (OST). In der Auswertung einer gepoolten Analyse betrug die Heilungsrate§ in den Patient*innengruppen mit vorliegenden SVR-Raten und aktuellem Konsum injizierbarer Drogen oder mit stabiler OST jeweils 100 %.11 Entsprechend hoch liegen auch die Therapieabschlussraten, die Menschen mit Suchterfahrung erreichen. Laut einer Real-Life-Erhebung beendeten 97,0 % der aktiv Drogenkonsumierende ihre Therapie regelhaft.12
Verbesserte Lebensqualität auch ein Jahr nach Behandlungsende
Mehrere Studien konnten mittlerweile belegen, dass die Lebensqualität (Quality of Life, QoL) bei Ausheilung§ einer Hepatitis C deutlich ansteigt.5,13 So fand eine Auswertung aus dem DHC-Register bei DAA-therapierten Patient*innen eine signifikante Verbesserung der QoL zum Zeitpunkt der Feststellung der Virusfreiheit 12 Wochen nach Behandlungsende (SVR12). Die Patient*innen profitierten beim Allgemeinbefinden und der Zugewinn an Lebensqualität wurde sowohl im Hinblick auf körperliche als auch auf psychische Komponenten beobachtet.5
Kürzlich wurde beim europäischen Leberkongress der EASL (European Association for the Study of the Liver) eine ergänzende Untersuchung aus dem DHC-Register vorgestellt. Diese ging der Frage nach, ob sich der positive Effekt einer HCV-Therapie auf die Lebensqualität nur kurzfristig oder auch längerfristig beobachten lässt.14 Konkret untersuchte die Studie den Einfluss der Therapie einer chronischen Hepatitis C auf die Lebensqualität zu Beobachtungsbeginn sowie 12 Wochen und ein Jahr nach Behandlungsende. Dafür erhoben die Autoren den 36-teiligen Short Form (SF-36) Score. Letzterer besteht aus zwei Komponenten: einer mentalen (Mental Component Score, MCS) und einer physischen (Physical Component Score, PCS).14
Insgesamt erreichten 99 % der Patient*innen ein anhaltendes virologisches Ansprechen zur SVR12. Die Auswertung der weiteren Ergebnisse bestätigte auch eine Verbesserung der Lebensqualität, die ein Jahr nach Behandlungsende in fast allen Subgruppen aufrechterhalten wurde. Insbesondere Patient*innen mit Opioid-Substitutionstherapie (OST) profitierten von einer längerfristigen QoL-Verbesserung, sowohl im MCS als auch im PCS (s. Abb.).15
Abbildung:
Die Lebensqualität
verbessert sich schnell und nachhaltig nach HCV-Therapie – v. a.
bei Patient*innen mit OST.14
OST, Opioid-Substitutionstherapie; PTW12, Post Treatment Week
12 (12 Wochen nach Behandlungsende).
Gemeinsamer Einsatz für eine bessere Versorgung von Opioidabhängigen
Um die komplexen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung von Opioidabhängigen zu bewältigen, braucht es vielfältige Expertisen. Patient*innen mit Opioidabhängigkeit sollen dabei unterstützt werden, Schritt für Schritt in ein selbstbestimmtes Leben zurückzukehren:
Neu: Initiative für mehr Perspektive bei Opioidabhängigkeit
Das BioPharma-Unternehmen AbbVie Deutschland und das Pharmaunternehmen Camurus engagieren sich für eine bessere Versorgung von Opioidabhängigen. Im Rahmen des neuen Bündnisses „Initiative für mehr Perspektive bei Opioidabhängigkeit“ vereinen die Unternehmen ihre Expertisen in den Bereichen Opioidabhängigkeit und Hepatitis C. Das Bündnis hat sich drei Kernziele gesetzt:
die Komplexität des Behandlungsumfeldes verringern
die Vernetzung der Beteiligten und das Bewusstsein der Gesellschaft verbessern
die Behandlungs und Betreuungsmöglichkeiten der Patient*innen stärken
# Eine Hepatitis C gilt als chronisch, wenn klinisch und laborchemisch keine akute (ikterische) Hepatitis und anamnestisch und laborchemisch kein Risiko für eine Übertragung des Virus bzw. keine Evidenz für eine Serokonversion in den letzten 6 Monaten vorliegt. In diesen Fällen kann eine antivirale Therapie umgehend begonnen werden.7
§ Als von einer chronischen Hepatitis C geheilt gelten Patient*innen, die 12 Wochen nach Behandlungsende ein anhaltendes virologisches Ansprechen (sustained virologic response, SVR12) aufweisen.
Literatur:
Umrechnung der GKV-Packungen [Quelle: IQVIA. IQVIA Contract Monitor] für Patient*innen basierend auf Annahmen bzgl. der durchschnittlichen Therapielänge und des PKV-Anteils.
Robert Koch Institut. SURVSTAT@RKI 2.0 [Stand: 20.02.2023]. Verfügbar unter: https://survstat.rki.de/Content/Query/Create.aspx. Letzter Abruf: 22.11.2023.
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Mit freundlicher Unterstützung der AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG