Fit für die HCV-Elimination 2030!?
19. Oktober 2023
Der hohen Krankheitslast einer Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) stehen heutzutage hocheffektive Behandlungsmöglichkeiten gegenüber. „Eine Heilung# von HCV kann in über 95 % der Fälle mit direkt antiviraler Therapie erreicht werden“, hob Prof. Cornberg hervor. Mit direkt antiviral wirksamen Medikamenten ist eine Heilung meist in 8 bis 12 Wochen möglich. Cornberg ergänzte mit Verweis auf die S3-Leitlinie2: „Die pangenotypische Therapie ist sehr einfach und sicher.“
Plädoyer für die frühe Therapie
Warum es so wichtig ist, früh zu therapieren, verdeutlichte der Experte anhand von Daten einer US-Veteranenkohorte3: „Wenn vor der Therapie noch keine Leberzirrhose besteht, sehen wir fast kein Risiko für das hepatozelluläre Karzinom.“ Patient*innen mit Zirrhose reduzieren durch die Behandlung zwar auch ihr Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom (HCC), sollten aber im Nachsorgeverlauf mit besonderem Augenmerk auf HCC kontrolliert werden. Untermauert wird die Risikoanalyse von aktuellen Daten zum Langzeitverlauf des inflammatorischen Milieus.4 Während sich bei Patient*innen ohne Zirrhose das Zytokinmuster nach Behandlung im Langzeitverlauf normalisiert, ist dies bei Patient*innen mit Zirrhose in der Regel nicht der Fall.4
Global noch nicht on Track
„Global gesehen sind wir bei der HCV-Elimination aktuell nicht auf einem guten Weg“, analysierte Prof. Cornberg Prävalenzdaten zum Eliminationsziel 2030 und wies daraufhin, dass die Anzahl geheilter Patient*innen nur unwesentlich höher sei als die Anzahl neu Infizierter.5 Um das zu ändern, sind neben der frühen Patientenidentifikation ein schneller und einfacher Zugang zur Therapie notwendig. Als Durchbruch betrachtet Prof. Cornberg das Screening auf Hepatitis B und C als Bestandteil der allgemeinen Gesundheitsuntersuchung (GU, Check-up 35) für alle Patient*innen ab 35 Jahren in Deutschland.6,7 Aktuelle Meldezahlen vom Robert Koch-Institut (RKI) sprechen mit einem deutlichen Anstieg der gemeldeten Behandlungsfälle in dieser Altersgruppe für den Erfolg dieser Initiative.8,9 Dass die HCV-Epidemiologie generell im Wandel ist, zeigen Daten aus dem Deutschen Hepatitis C-Register (DHC-R).10 So sind steigende Patient*innenzahlen z. B. unter Migrant*innen, aktiv Drogengebrauchenden und Substitutionspatient*innen zu verzeichnen. „Die Herausforderung in diesen Gruppen ist der Zugang“, konstatierte der Experte.
Mit dem HCV-Tracker stets auf dem aktuellen Stand
In einer Kooperation der Deutschen Leberstiftung und AbbVie Deutschland ist jüngst der „HCV-Tracker“ (www.hcv-tracker.de) entstanden. Dieser macht die Anzahl der neudiagnostizierten und behandelten Patient*innen sichtbar – und zwar quartalsweise aktualisiert sowie in Bezug auf das von der WHO vorgegebene, modellierte11 Eliminationsziel.12 „Wir haben Stand zweites Quartal 2023 31 % des WHO-Ziels hinsichtlich der Diagnoserate und 23 % hinsichtlich der Behandlungsrate erreicht“, analysierte der Experte und ergänzte: „Wir sind auf einem guten Weg, aber wir müssen noch mehr tun, um die Personen in den Risikogruppen zu erreichen.“ Abschließend wies Prof. Cornberg noch einmal daraufhin, dass die frühe Identifikation und Behandlung vor Eintritt einer Zirrhose entscheidend für die Reduktion des HCC-Risikos der Betroffenen sind.
Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung
„Um die Versorgung zu verbessern, brauchen wir idealerweise Leitlinien in kurzer und knapper Form, sodass sie auf einen Bierdeckel passen würden“, forderte der Referent angesichts des Umfangs der aktuellen Leitlinienempfehlung und stellte die Einfachheit der Therapie vor (s. Abb.). Die Behandlung therapienaiver Patient*innen ohne Zirrhose, d. h. die Mehrzahl der Patient*innen, ließe sich auch von den diagnostizierenden Ärzt*innen durchführen. Patient*innen mit Zirrhose oder Reinfektion sollten dagegen an Expert*innen überwiesen werden. Die HCV-Elimination in Risikogruppen ist nach Einschätzung von Prof. Cornberg vor allem über Netzwerke und lokale Initiativen zu erreichen.
Lebensstilempfehlungen bei der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD)
„Lebensstilempfehlungen können auch in der Kohorte der Hepatitis-C-Betroffenen sehr relevant sein“, eröffnete Prof. Frank Tacke, Charité – Universitätsmedizin Berlin, seinen Vortrag mit dem Titel „HCV weg, Fettleber bleibt – Lebensstil-Empfehlungen bei der NAFLD“. Als Beleg dafür führte er Daten aus dem deutschen HCV-Register (DHC-R) an, nach denen von 6.921 unter Alltagsbedingungen behandelten Patient*innen 97,4 % geheilt werden konnten (Sustained Virological Response, SVR).13 Trotz Ausheilung zeigten 9,4 % der Patient*innen 24 Wochen nach Ende der Therapie erhöhte Werte der Alanin-Aminotransferase (ALT), bzw. 25,5 % erhöhte Werte der Gamma GT (Gamma-Glutamyltransferase). „Erhöhte Leberwerte sind mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko assoziiert“, unterstrich Prof. Tacke die Relevanz der Daten.
Volkskrankheit nicht-alkoholische Fettlebererkrankung
„Die Projektion für Deutschland zeigt, dass gerade die fortgeschrittenen Stadien mit Fibrose und Zirrhose in den kommenden Jahren dramatisch zunehmen werden“, konstatierte der Experte mit Verweis auf die aktuelle Literatur. Demnach ist in Deutschland im Jahr 2030 mit etwa 1,5 Millionen Fällen fortgeschrittener Fibrose und Zirrhose zu rechnen.14,15 Hinsichtlich der Leitlinienempfehlungen verwies der Referent auf die deutsche Leitlinie aus 2022 sowie die amerikanische von Anfang 2023, welche beide ähnliche Empfehlungen bei Fettlebererkrankungen aussprechen.16,17 Die Leitlinien adressieren zum einem Faktoren für die Progression der Erkrankung, wie z. B. Komorbiditäten, Alkoholkonsum und Lebensstil, und zum anderen die Verbesserung der Prognose, insbesondere über den Faktor Gewichtsverlust.
Gewichtsverlust und körperliche Bewegung sind wichtige Stellschrauben
In prospektiven Studien ist eindeutig gezeigt worden, dass histologische Verbesserung der Leber bei Adipositas mit der Intensität des Gewichtsverlusts korrelieren.18 „Bei einem Gewichtsverlust von über 10 % ist mit einem Rückgang der Fibrose zu rechnen“, brachte Prof. Tacke den Nutzen einer hypokalorischen Ernährung, z. B. mit mediterraner Kost und dem Verzicht auf zuckerhaltige Getränke, auf den Punkt. Darüber hinaus empfehlen die Leitlinien körperliche Bewegung als wichtigen Lebensstilfaktor, denn diese kann den Leberfettgehalt unabhängig von Gewicht oder Ernährung verbessern.19 Für ausgewählte Patient*innen kommen zusätzlich bariatrische oder endoskopische Verfahren und neuerdings auch pharmakologische Ansätze in Betracht.
* „Fit für die HCV-Elimination 2030!?“, Industriesymposium der AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG im Rahmen der Viszeralmedizin 2023 am 11.09.2023, 19:30 – 20:30 Uhr, virtuell.
Δ Bis zum Jahr 2030 sollen laut WHO die Zahlen der HCV-Neuinfektionen um 90 % gesenkt, die Diagnose- und Behandlungsraten auf 90 % bzw. 80 % gesteigert und HCV-assoziierte Todesfälle um 65 % reduziert werden.1
# Als von einer chronischen Hepatitis C geheilt gelten Patient*innen, die 12 Wochen nach Behandlungsende ein anhaltendes virologisches Ansprechen (sustained virologic response, SVR12) aufweisen.
Literatur:
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Beschluss Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinie: Einführung eines Screenings auf Hepatitis-B- und auf Hepatitis-C-Virusinfektion, 20.11.2020; https://www.g-ba.de/beschluesse/4566/ (letzter Aufruf: 11.10.2023)
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Hüppe, Wedemeyer, Cornberg (in Revision)
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Mit freundlicher Unterstützung der AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG