Die Elimination von HCV bei HIV-positiven MSM in Berlin
Welche Erfolgsaussichten haben die Eliminationsstrategien?
Hintergrund und Zielsetzung
HIV-positive MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) haben einen guten Zugang zur modernen DAA-Therapie. Dennoch ist die Inzidenz und Prävalenz der Hepatitis C in dieser Gruppe alarmierend hoch. Wie kann man die Hepatitis C hier am besten zurückdrängen bzw. ganz eliminieren?
Methodik
Es wurde ein dynamisches Transmissions-Modell für die Gruppe der HIV-positiven MSM entwickelt und an die Situation in Berlin angepasst. Basierend auf den Daten von 1996-2014 wurde der Erfolg verschiedener Strategien berechnet.
Ergebnisse
Der errechnete Ausgangspunkt ist eine Inzidenz der HCV-Infektion im Jahr 2016 von 2,5/100 PJ (Personenjahre). Die Inzidenz bis zum Jahr 2030 steigt auf 3,8/100 PJ, wenn die Hepatitis C nicht behandelt wird. Sie sinkt auf 1,9/100 PJ, wenn die Behandlungsrate gleich bleibt wie 2016 und sie fällt auf 0,4/100 PJ, wenn alle Neuinfizierten innerhalb von 6 Monaten nach Diagnose und 25 % der bekannten Infektionen behandelt werden. Um eine Elimination der Hepatitis C in dieser Gruppe (definiert als Reduktion der Inzidenz um 90 %) zu erreichen, muss innerhalb von 3 Monaten nach Neudiagnose behandelt werden oder das Risiko durch Verhaltensänderung um 10 % gesenkt werden.
Fazit
Um die HCV-Epidemie bei HIV-positiven MSM in Berlin zu stoppen, müssen HIV-positive MSM ihr Risikoverhalten ändern und alle Patienten rasch nach HCV-Neudiagnose behandelt werden.
Dr. med. Ramona Pauli
Fachärztin für Allgemeinmedizin
und Innere Medizin, Infektiologie,
Gemeinschaftspraxis am Isartor,
Isartorplatz 6, 80331 München
Kommentar Dr. med. Ramona Pauli
HIV-positive MSM und intervenöse Drogengebraucher sind die Gruppen mit den höchsten Raten an Neu- und Reinfektionen. Will man das erklärte Ziel der WHO, nämlich die Elimination der Hepatitis C bis 2030 erreichen, muss man auf diese Gruppen zugeschnittene Strategien entwickeln. Bei den HIV-positiven MSM ist hier die frühzeitige Behandlung ganz entscheidend. Das heißt: Wir brauchen eine Zulassung der DAA für die akute Hepatitis C! Gleichzeitig sind Verhaltensänderungen notwendig und wichtig.
PD Dr. med. Christian Steib
Oberarzt der Medizinischen Klinik
und Poliklinik II, Campus Großhadern,
Klinikum der Universität München,
Marchioninistraße 15, 81377 München
Kommentar PD Dr. med. Christian Steib
Die Studie geht der interessanten Fragestellung nach, wie wir die Hepatitis C bei HIV-infizierten Männern im MSM-Setting eliminieren können. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Population, die aber in infektiologischen Praxen sicherlich eine sehr wichtige Rolle spielt. Es wurde ein dynamisches Transmissionsmodell entwickelt, das die Inzidenz, die HCV-Seroprävalenz und die Reinfektionsrate zu berücksichtigen versucht. Somit wird unter Beibehaltung der aktuellen Behandlungsstrategie lediglich eine Reduktion der Inzidenz auf 1, 9 pro 100 Personenjahre im Jahr 2030 erreicht. Würde man dagegen 100 % der Patienten innerhalb von 6 Monaten nach erster Diagnosestellung behandeln und 25 % der Patienten pro Jahr, bei denen bereits früher eine Hepatitis C diagnostiziert wurde, aber bislang noch nicht behandelt ist, so könnte man im Jahr 2030 die Inzidenz um 84 % reduzieren auf 0,4/100 Personenjahre. Für eine Elimination (90 % Reduktion der Inzidenz) müsste man den Zeitpunkt zwischen Diagnose und Behandlungsinitiierung nochmals auf 3 Monate reduzieren. Daneben sollte man aber natürlich auch entsprechend intervenieren, um die Übertragungsraten zu reduzieren. Die Studie zeigt uns also eindeutig, dass hier trotz moderner Therapien möglicherweise weiterhin ein schwerwiegendes Problem vorliegt. Deswegen sollte man die Prävention ausbauen und die Initiierung der Behandlung forcieren, um eine deutliche Senkung der Inzidenz zu erreichen. Dies ist insbesondere bei den modernen Möglichkeiten einer DAA-Therapie vor allem praxisorientiert zu sehen. Diese Modellrechnung zeigt uns also sehr schön, wie entscheidend es potentiell ist, gerade bei Risikogruppen frühzeitig und effektiv zu therapieren.