Michael Kraus, Altötting
Interferon-frei ganz ohne Nebenwirkungen?

Mit den Interferon- und zum Teil Ribavirin-freien antiviralen Therapien wurde die Behandlung der chronischen Hepatitis C-Infektion nicht nur bezüglich der Heilungsraten, sondern auch hinsichtlich der Verträglichkeit revolutioniert.

Die bekannten, häufig zu Therapieabbrüchen führenden Interferon-Toxizitäten gehören der Vergangenheit an. In der französischen CUPIC-Studie, in der Patienten mit Leberzirrhose mit einem Proteasehemmer der ersten Generation (Boceprevir oder Telaprevir) und pegyliertem Interferon sowie Ribavirin behandelt wurden, kam es in einem hohem Prozentsatz zu schweren, zum Teil lebensbedrohlichen Toxizitäten (49,9 % SAE = Severe adverse events) (Hézode C et al, 2014). In den aktuellen deutschen und europäischen Leitlinien wird die duale Therapie mit Interferon plus Ribavirin sowie die Tripletherapie mit Boceprevir oder Telaprevir generell nicht mehr empfohlen. Lediglich in Kombination mit Simeprevir oder Sofosbuvir ist die Tripletherapie mit pegyliertem Interferon/Ribavirin noch eine alternative Therapiestrategie.

Mit/ohne Ribavirin

Die Zulassungsstudien der neuen direkt antiviral wirkenden Substanzen (DAA) verzichteten nahezu ausschließlich auf einen Interferon-basierten Vergleichsarm.

Doch bereits der Vergleich mit historischen Kontrollen zeigt die bessere Verträglichkeit. In einigen Studien, in denen es einen Placeboarm gab, lag die Nebenwirkungsrate der Interferon- und Ribavirin-freien Regime auf Placeboniveau. Die Toxizität der aktuellen Interferon-freien Therapieverfahren geht im Wesentlichen nur noch auf Ribavirin zurück. In einer Analyse der Safety-Daten von vier Phase-3-Studien des 3D-Regimes gab es in den Armen mit Ribavirin 2,4 % SAE im Vergleich zu 0,5 % ohne Ribavirin. Lediglich bei 2/202 Patienten ohne Ribavirin sowie 3/593 Patienten mit Ribavirin musste die Behandlung abgebrochen werden (Everson et al, 2014).

Nebenwirkungen (> 15% in einem Arm)
Patienten % SOF + RBV
16 Wochen
n=196
SOF + RBV
24 Wochen
n=199
SOF +
PEG/RBV
12 Wochen
n=197
Müdigkeit 36 41 46
Kopfschmerz 31 36 36
Schlafstörung 24 28 25
Übelkeit 16 17 25
Exanthem 12 14 20
Grippe-ähnlich 4 4 19
Appetit vermindert 7 8 18
Myalgie 6 10 17
Belastungsdyspnoe 11 11 15
Fieber 3 4 15

Abbildung1: Nebenwirkungen (> 15 % in einem Arm) unter
Sofosbuvir+Ribavirin vs. Sofosbuvir + pegyliertem
Interferon+Ribavirin. BOSON-Studie.   Foster G et al, 2015

Interferon 12 Wochen erträglich?

In einer neueren Studie (BOSON-Studie) zur Behandlung der chronischen Hepatitis C mit Genotyp III wurde 16 und 24 Wochen Sofosbuvir + Ribavirin und 12 Wochen Sofosbuvir + pegyliertes Interfon/Ribavirin (pegIFN/RB) verglichen. Hier waren die Interferon-freien Regime besser verträglich. Therapieabbrüche wegen Nebenwirkungen waren jedoch in allen Gruppen gleichermaßen sehr selten und in der Interferon-Gruppe sogar am seltensten (2 % vs. <1 %). Offenbar ist eine 12-wöchige Interferon-Behandlung trotz der häufigen Nebenwirkungen für viele Patienten – zumindest im Studiensetting – erträglich (Abb. 1).

Simeprevir

Zum Proteasehemmer Simeprevir gibt es jetzt auch Daten aus dem klinischen Alltag. Eine aktuelle Analyse der Kohorte HCV-TARGET belegt die gute Verträglichkeit von Simeprevir in Kombination mit Sofosbuvir mit/ohne Ribavirin. Einzige spezifische Nebenwirkung ist die Photosensitivität. So wurde bei 6,1 % der Patienten unter Simeprevir + Sofosbuvir und bei 12,5 % der Patienten unter Simeprevir + Sofosbuvir + Ribavirin, aber bei keinem unter Sofosbuvir + Ribavirin eine Photosensitivitätsreaktion beobachtet (Reddy KR et al, 2015).

3D-Regime

n % Arm A + C
3D + RBV
N = 153
Arm D
3D
N = 83
Arm B + E
TPV +
pegIFN/RBV
N = 75
Kopfschmerz 41 (27 %) 16 (19 %) 23 (31 %)
Übelkeit 32 (21 %) 7 (8 %) 30 (40 %)
Juckreiz 19 (12 %) 5 (6 %) 26 (35 %)
Müdigkeit 21 (14 %) 4 (5 %) 23 (31 %)
Anämie 10 (7 %) 1 (1 %) 34 (45 %)
Exanthem 12 (8 %) 0 17 (23 %)
Asthenie 11 (7 %) 2 (2 %) 15 (20 %)
Appetit vermindert 6 (4 %) 1 (1 %) 17 (23 %)
Fieber 4 (3 %) 2 (2%) 16 (21 %)

Abbildung 2:Nebenwirkungen in Malachit-I (> 20% in einem Arm):
Ombitasvir/Paritaprevir/r and Dasabuvir ±
RBV vs. TVR/Peg/RBV  Foster G et al, 2015

Das Unternehmen AbbVie führte mit MALACHIT-1 und -2 zwei Studien durch, in denen eine Telaprevir-basierte Tripletherapie mit dem 3D-Regime (Parietaprevir/Ritonavir/Ombitasvir plus Dasabuvir) mit oder ohne Ribavirin verglichen wurden. In diesem Regime ist der Proteasehemmer Parietaprevir in Fixkombination mit dem Booster Ritonavir und dem NS5A-Hemmer Ombitasvir enthalten. Dabei zeigte sich erwartungsgemäß die deutlich bessere Verträglichkeit des Inferferon-freien sowie des Interferon- und Ribavirin-freien Regimes (Abb. 2). Einzige Nebenwirkung, die unter 3D + Ribavirin häufiger auftrat, war eine Erhöhung des indirekten Bilirubins. Dies geht auf den inhibitorischen Effekt von Parietaprevir auf den Bilirubintransporter OATP1B1 und OATP1B3 sowie die dosisabhängige Hämolyse durch Ribavirin zurück.

Verträglichkeit bei Zirrhose

Auch bei Zirrhose gibt es nahezu keine Probleme mit der Verträglichkeit. In einer Studie an mehr als 500 Zirrhotikern mit GT1 waren unter Sofosbuvir/Ledipasvir unerwünschte Wirkungen ≥ Grad 3 mit 8 % selten. Lediglich wenn die Patienten Ribvirin erhielten, stieg die Nebenwirkungsrate von 1 % auf 15 %. Gravierende Nebenwirkungen (SAE) traten bei 9/262 in der Ribaviringruppe und bei 15/251 in der Gruppe ohne Ribavirin auf. Medikations-bedingte SAE wurden bei 2 % bzw. 1 % der Patienten beobachtet (Bourliere M et al, 2014).

Selbst bei dekompensierter Leberzirrhose war die Verträglichkeit der neuen DAA in Studien ausgesprochen gut. In der Studie SOLAR-2 (Sofosbuvir/Ledipasvir + Ribavirin) wurden Patienten mit CPT A-C und einem CPT-Score <13 behandelt. Nebenwirkungen waren sehr selten. In ALLY-1 (Sofosbuvir + Daclatasvir + Ribavirin) wurden Patienten mit dekompensierter Zirrhose mit MELD >25 behandelt. Doch selbst bei diesen schwer kranken Patienten kam es in keinem Fall zu einer Medikation-assoziierten SAE. Gravierende Nebenwirkungen gingen meist auf die Progression der Grunderkrankung zurück. Nur sehr wenige Patienten mussten die Behandlung wegen Nebenwirkungen abbrechen und meist nicht wegen Medikamenten-Unverträglichkeit. Ob die Rate an leichteren Nebenwirkungen wie gastrointestinale Beschwerden mit der Schwere der Erkrankung zunimmt, lässt sich aufgrund der kleinen Patientenzahlen nicht sicher sagen. Die Anämie-Rate in diesen Studien war vergleichsweise gering, was aber in der „DAA-Ära“ auf die weniger aggressive Dosierung von Ribavirin zurückgehen könnte. In SOLAR-2 lag die durchschnittliche Ribavirin-Dosis beispielsweise bei 600 mg/d (Manns M et al, 2015).

Nebenwirkungen durch Interaktionen

Das größte Risiko von Nebenwirkungen ist durch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten gegeben. Insbesondere die Proteasehemmer interagieren mit vielen anderen Substanzen. Dabei kann es zum Abfall mit unzureichender Wirksamkeit oder zum Anstieg von Wirkspiegel mit entsprechenden Toxizitäten kommen. Dass auch der als wenig „interaktiv“ geltende NS5B-Hemmer Sofosbuvir solche Effekte haben kann, belegt die Warnung der FDA vor gefährlichen Bradykardien bei der Kombination von Sofosbuvir und Amiodaron.

Zusammenfassung

Direkt antivirale Regime sind durch den Wegfall des „Interferon-Parts“ sehr gut verträglich. Nebenwirkungen werden im Wesentlichen nur noch von dem optionalen Ribavirinanteil bestimmt. Interaktionen mit anderen Medikamenten können allerdings durch Anstieg des Spiegels der Komedikation unerwünschte Wirkungen verursachen. Inwiefern direkt antivirale Substanzen seltene Toxizitäten auslösen, lässt sich allerdings anhand der derzeit durchgeführten Studien nicht mit Sicherheit ausschließen. Hier wird man die größeren Phase-IV-Studien bzw. Registerdaten abwarten müssen.



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