Aktuelle Empfehlungen der DGVS und des bng zur Therapie der chronischen Hepatitis C
Simeprevir (SMV) ist zugelassen als Bestandteil einer Kombinationstherapie bei Erst- und Retherapie der chronischen Hepatitis Genotyp 1 und 4. Der Proteaseinhibitor besitzt ein wesentlich günstigeres Nebenwirkungsprofil als die Erstgenerationssubstanzen Boceprevir und Telaprevir. Simeprevir führt nicht zur Anämie. Hautveränderungen aufgrund einer Photosensitivität wurden bei entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen nur relativ selten beobachtet. Weiterhin ist eine leichte Erhöhung des indirekten Bilirubins bekannt, die transient ist. Aufgrund der Interaktion mit dem Cytochrom P450 sind Medikamenten-Wechselwirkungen sorgfältig zu berücksichtigen (www.hep-druginteractions.org).
Simeprevir-Tripletherapie
Genotyp 1
Die Tripletherapie mit Simeprevir kommt bei Ersttherapie und nach Relaps bei Patienten mit GT1 ohne Q80K in Betracht. Die SVR-Raten lagen bei Patienten mit GT1a ohne Q80K sowie GT1b bei rund 85 %.
Bei einer Viruslast > 25 IU/ml zu Woche 4 sollte die Therapie abgebrochen werden. Die SVR-Raten bei zu Woche 4 nicht nachweisbarer Viruslast im Vergleich zu residualer Viräme < 25 IU/ml lagen bei 93 % bzw. 69 %.
Als Standardtherapie ist die Tripletherapie mit Simeprevir laut den Empfehlungen „aufgrund der beschriebenen Einschränkungen sowie fehlender relevanter Kostenersparnis nicht empfehlenswert“. Nicht empfohlen wird dieses Regime auch bei partiellen und Nullrespondern auf pegyliertes Interferon/Ribavirin (SVR-Raten 44-70 %) sowie nach Versagen einer Boceprevir- oder Telaprevir-basierten Tripletherapie wegen Kreuzresistenz aller Proteaseinhibitoren.
Genotyp 4
Der
Therapiealgorithmus ist bei GT4 ist analog zu GT1. Anders als bei GT1 kann bei
GT4 die Simeprevir-basierte Triple-
therapie „aufrund der robusteren Patientenzahlen als Alternative zur
Sofosbuvir-basierten Triple-Therapie trotz der längeren Therapiedauer
durchgeführt werden.“ Nicht empfohlen wird das Regime bei partiellen und
Nullrespondern auf pegyliertes Interferon/Ribavirin.
Simeprevir+Sofosbuvir
Genotyp 1
Diese Kombination mit/ohne Ribavirin ist zugelassen für „Patienten mit Kontraindikationen oder Unverträglichkeit von Interferon alfa und gleichzeitiger dringender Therapieindikation“. Bis zum Vorliegen von Phase-3-Studien wird bei bestehenden Voraussetzungen die Gabe von Sofosbuvir und Simeprevir über 12 Wochen als Erst- oder Re-Therapie empfohlen. Bei Verträglichkeit kann die zusätzliche Gabe von Ribavirin erwogen werden. Eine Therapieverlängerung auf 24 Wochen wird bei fehlender Evidenz für eine höhere Wirksamkeit auch für Subgruppen mit möglichen negativen Prädiktoren für das Therapieansprechen (z.B. Leberzirrhose) aktuell nicht empfohlen. Eine Resistenzanalyse vor Therapiebeginn sollte bei Genotyp 1a in Betracht gezogen werden.
Gentotyp 4
Zur Interferon-freien Kombination Simeprevir/Sofosbuvir gibt es keine Daten. Bei entsprechenden Voraussetzungen kann im Analogschluss kann wie bei Genotyp 1 behandelt werden. Der Einfluss von Polymorphismen auf das Ansprechen ist bei Genotyp 4 noch nicht untersucht.
Vor/nach LTX sowie Dekompensation
Für Patienten mit GT 1 oder 4 vor Lebertransplantation und kompensierter Leberzirrhose steht bei Interferon-Kontraindikationen bzw. -Unverträglichkeit die Interferon-freie Kombinationstherapie aus Sofosbuvir und Simeprevir mit oder ohne die zusätzliche Gabe von Ribavirin zur Verfügung. Die empfohlene Therapiedauer beträgt 12 Wochen und das Ziel der Viruseradikation kann mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht werden. Die Verträglichkeit von Simeprevir bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose ist bisher nicht hinreichend untersucht, so dass der Einsatz außerhalb von erfahrenen Zentren nicht empfohlen werden kann.
Für die Gabe von Sofosbuvir bzw. Simeprevir in Kombination mit Ribavirin bzw. auch PEG-Interferon nach Lebertransplantation liegen nur relativ wenige Erfahrungen vor. Medikamenteninteraktionen sind sorgfältig zu prüfen. Daten zu Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz (< 30ml/min eGFR) liegen bisher nicht vor.
HIV/HCV-Koinfektion
Hier gelten die Empfehlungen wie bei HCV-Monoinfizierten. Besonders zu beachten sind die Interaktionen von Simeprevir mit zahlreichen antiretroviralen Medikamenten.
Wann warten, wann starten?
Die aktualisierten Empfehlungen berücksichtigen nicht nur die derzeit verfügbaren Möglichkeiten. Die chronische Hepatitis C stelle zwar grundsätzlich eine Indikation zur antiviralen Therapie dar, die Dringlichkeit zur antiviralen Therapie sollte jedoch „vor dem Hintergrund der aktuell und in Zukunft zur Verfügung stehenden therapeutischen Optionen beurteilt werden.“ Die wichtigsten Faktoren dabei sind „das Stadium der Lebererkrankung, der HCV Geno-/Subtyp, die Präsenz präexistenter HCV-Resistenzvarianten und die Vortherapie“ sowie der Patientenwunsch.
Zukünftige Optionen
Für Patienten mit einer HCV Genotyp 1 Infektion wird für Ende 2014 bzw. Anfang 2015 die Zulassung robuster Interferon-freier Therapieregime erwartet. Im laufenden Jahr ist mit der Zulassung des NS3 Protease-Inhibitors Faldaprevir als auch des NS5A-Inhibitors Daclatasvir (vermutlich August/September) zu rechnen. Ende 2014 / Anfang 2015 werden voraussichtlich der NS5A Inhibitor Ledipasvir in Kombination mit Sofosbuvir sowie 3 Substanzen für eine antivirale Vielfachkombinationstherapie (Protease-Inhibitor ABT-450/r, NS5A-Inhibitor Ombitasvir, nicht-nukleosidischer Polymerase-Inhibitor Dasabuvir) folgen. Mit diesen Substanzen werden sich die Therapiemöglichkeiten nochmals erweitern.
Für die Mehrzahl der Patienten wird voraussichtlich bei einer Therapiedauer von 12 Wochen ein Verzicht auf Ribavirin und für bestimmte Subgruppen eine Verkürzung der Therapiedauer auf 8 Wochen möglich sein.
- Bei Patienten mit einer HCV Genotyp 2 Infektion steht bereits aktuell eine effektive Interferon-freie Therapie zur Verfügung. Eine wesentliche Steigerung der Heilungsraten (SVR) oder der Verträglichkeit durch die Zulassung weiterer Substanzen ist nicht zu erwarten.
- Bei Patienten mit einer HCV Genotyp 3 Infektion und Leberzirrhose ist die Effektivität der aktuellen Interferon-freien Therapie eingeschränkt. Mit der Zulassung des NS5A Inhibitors Daclatasvir in Kombination mit Sofosbuvir voraussichtlich im September 2014 kommt es zu einer Erweiterung der interferon-freien Therapiemöglichkeiten bei diesen Patienten.
- Für Patienten mit einer HCV Genotyp 4 (5-6) Infektion wird in den nächsten Monaten keine Zulassung neuer Therapieregime erwartet.
Bei der Beratung eines Patienten mit chronischer Hepatitis C für eine antivirale Therapie sollten die in Kürze zu erwartenden weiteren Medikamentenzulassungen berücksichtigt werden.
Resistenztestung bei Hepatitis C
Eine kostenfreie Resistenztestung ist im Labor der Med. Klinik 1 des Klinikums der Goethe-Universität, Frankfurt am Main möglich (Partner des Deutschen Zentrums Infektionsforschung, TTU Hepatitis, email sarrazin@em.uni-frankfurt.de). Sinnvoll ist eine solche Testung zum Nachweis der Variante Q80K bei GT1a vor dem Einsatz einer Simeprevir-basierten Tripletherapie sowie dem Interferon-freien Einsatz von Simeprevir und bei Verdacht auf Therapieassoziierte Resistenzmutationen.