Holger
Hinrichsen, Kiel
Genotyp 2 – Mit oder ohne
Interferon?
Die derzeitige Standardbehandlung mit
PEG-Interferon und Ribavirin führt bei 78-85% der Patienten mit HCV GT2 durch
eine 16- bis 24-wöchige Therapie zu einer dauerhaften Virusfreiheit (SVR 24),
sofern nach 4 Wochen Therapie die HCV-RNA nicht mehr nachweisbar ist (Rapid
Virological Response; RVR). Hingegen werden nur 53% der Patienten geheilt, die
das Ziel der RVR nicht erreichen (Shiffmann et al NEJM 2007) (Abb. 1).
Abbildung 1:Genotyp 2,3 –Infektion Therapieverkürzung mit PEG-Interferon und Ribavirin.
Datenlage ohne Interferon
Die erste Studie zur Therapie der Genotyp 2-Infektion ohne
PEG-Interferon wurde 2011 auf dem europäischen Leberkongress EASL vorgestellt.
23 von 25 Patienten (92%) mit Genotyp 2/3-Infektion
wiesen nach 12 Wochen Kombinationsbehandlung von Sofosbuvir und Ribavirin eine
SVR24 auf. Die Folgestudie (ELECTRON-Studie; Phase 2a, achtarmige Studie; Gane
et al NEJM 2013) wies sechs Behandlungsarme (60 Patienten) bei Genotyp
2/3-Infizierten auf. Bis auf den Monotherapiearm mit Sofosbuvir (60% SVR) lag
die Heilungsrate in den anderen Therapiearmen bei 100% (Abb. 2). Daraufhin
wurden klinische Studien der Phase III zunächst bei therapienaiven Patienten
(FISSION-Studie und POSITRON-Studie) als auch bei therapierfahrenen Patienten
(FUSION-Studie) durchgeführt. In Europa wurde darüber hinaus eine Untersuchung
an therapienaiven und vorbehandelten Patienten (VALENCE-Studie) durchgeführt.
Abbildung 2:ELECTRON-Studie bei der Genotyp 2-Infektion.
Naive Patienten
In der FISSION-Studie konnten 68 von 70 Patienten (97%) geheilt werden, und zwar 98% der Patienten ohne eine Zirrhose und 91% der Patienten mit Zirrhose) (Lawitz et al NEJM 2013) (Abb. 3). Damit lag die Heilungsrate höher als bei der dualen Standardtherapie in der Vergleichsgruppe (78%).
In einer weiteren Phase III-Studie (POSITRON-Studie; Jacobson et al NEJM 2013) konnten diese Ergebnisse bestätigt werden. 101 von 109 Patienten (93%) mit Genotyp 2 wiesen eine SVR auf. Auch hier war die Therapie bei 92% der Patienten ohne eine Zirrhose und bei 94% der Patienten mit Zirrhose erfolgreich. (Abb. 3).
Abbildung 3:SVR bei Patienten mit Genotyp 2 unter Sofosbuvir-basierter Therapie.
Vorbehandelte Patienten
Abbildung 4:Sofosbuvir und Ribavirin für 12 Wochen bei der Genotyp 2-Infektion.
Für therapieerfahrene Patienten mit einer
HCV-Genotyp 2-Infektion (FUSION-Studie; Jacobson et al NEJM 2013) wurde eine
Therapiedauer von 12 und 16 Wochen mit Sofosbuvir und Ribavirin verglichen. Für
Genotyp 2-Patienten lag die SVR bei 86% (12 Wochen) und 94% (16 Wochen). Bei
Patienten mit Genotyp 3 zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen 12
Wochen Therapiedauer (SVR 30%) und 16 Wochen Therapiedauer (SVR 62%), so dass
die Therapiedauer in VALENCE für Genotyp 3-Patienten auf 24 Wochen verlängert
wurde. In die VALENCE-Studie (die einzige in Europa durchgeführte Studie mit
Sofosbuvir bei Genotyp 2 und 3) wurden 73 Patienten (32 therapienaive und 41
therapieerfahrene Patienten mit Genotyp 2) eingeschlossen (Zeuzem et al. #1085
AASLD 2013). 14% der Genotyp 2-Patienten (10 Patienten) wiesen eine Zirrhose
auf. 56% der Patienten waren bereits vorbehandelt. Insgesamt erreichten 93% der
Patienten mit Genotyp 2-Infektion eine SVR 12 (68 von 73 Patienten (Abb. 4).
Tripletherapie mit Sofosbuvir
Abbildung 5: Tripletherapie mit PEG-Interferon, Ribavirin und Sofosbuvir (LONESTAR 2).
Inzwischen wurde auch mit der LONE-STAR 2-Studie eine erste (kleine) Tripletherapiestudie vorgestellt. Vorbehandelte Patienten mit Genotyp 2 und 3 erhielten für 12 Wochen mit Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin (Lawitz et al. #LB4, AASLD 2013). 22 von 23 Patienten mit Genotyp 2 (96%) erreichten die SVR 12, lediglich 1 von 14 Patienten mit Zirrhose wies keine SVR auf (Abb. 5).
Was ist besser?
Somit kann festgestellt werden, dass durch eine 12-wöchige Sofosbuvir-basierte Therapie bei der Genotyp 2-Infektion bei therapienaiven Patienten ohne und mit Leberzirrhose Heilungsraten >90% erreicht werden können. Lediglich bei therapieerfahrenen Patienten mit Leberzirrhose konnte in FUSION (60%) und VALENCE (88%) bei sehr geringer Fallzahl dieser Wert nicht erreicht werden.
Fazit
Für Patienten mit einer Kontraindikation für Interferon besteht eine eindeutige Indikation für eine interferonfreie Therapie. Eine weichere Indikation für die Interferon-freie Behandlung ist ein ungünstiger IL28B-Genotyp non-CC. Doch auch bei allen anderen Patienten gibt es nur wenige Gründe, die gegen ein Sofosbuvir-basiertes Interferon-freies Therapieregime bei der Genotyp 2-Infektion sprechen könnten: Zum einen die möglicherweise sehr hohen Therapiekosten für einen relativ geringen Zuwachs von ca. 20% SVR-Rate gegenüber der dualen Therapie, und zum anderen die derzeit noch ausstehenden Langzeitverläufe der „geheilten Patienten“ (SVR 12), die belegen, dass auch Interferon-freie Therapieregime langfristig (>48 Wochen) eine SVR aufweisen.
Inwieweit Patienten mit fortgeschrittener Zirrhose von einer längeren Therapiedauer (24 Wochen) oder einer Tripletherapie mit Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin wie bei der Genotyp 3-Infektion profitieren, ist bisher ungeklärt. Hier könnten auch neue interferonfreie Therapieregime wie Alisporivir in Kombination mit Ribavirin oder andere bei der Genotyp 1-Infektion erfolgreich getestete DAA-Kombinationen weiteren Fortschritt bringen.