EU-Treffen in Brüssel
Neue Strategien gegen Alkohol
Viele verschiedene Punkte und Maßnahmen wurden auf dem
Treffen besprochen. So sollen die Kosten von Alkohol durch höhere Steuern und
gesetzlich festgesetzte Mindestpreise erhöht werden, um den Kauf und Konsum
großer Alkoholmengen zu erschweren. Die Werbung für Alkohol in Nachtclubs,
online und in sozialen Medien soll stärker überwacht werden. Ganz verboten
werden sollen Werbung und Alkoholmarken als Sponsoren z.B. bei Sportereignissen
oder
Festivals. Strenger kontrolliert werden soll auch die Abgabe von Alkohol, wie
z.B. durch Einhalten des Mindestalters von 18 Jahren und kontrollierte
Öffnungszeiten.
Wichtig: Bessere Prävention
Ähnlich wie bei Zigarettenschachteln wurde bei dem Treffen auch für Alkoholgetränke überlegt, Warnhinweise z.B. auf Flaschen anzubringen, welche die Bevölkerung über die Risiken des Alkohols aufklären. Diese Hinweise sollten gut sichtbar sein und regelmäßig erneuert werden, um dauerhaft aufzufallen.
Die Europäische Kommission hat in der Vergangenheit bereits verschiedene Gesundheitskampagnen durchgeführt, die aber nicht zu dem anvisierten Ergebnis geführt haben. Diskutiert wird auch über eine neue und effektivere EU-Aufklärungskampagne, welche die negativen Auswirkungen von Alkohol für die Betroffenen, ihre Familien und die Gesellschaft darstellt. Allgemein sollen Aufklärungskampagnen drei Hauptziele verfolgen:
- das Stigma von Alkoholkranken und ihren Familien vermindern
- über die Risiken des Alkoholkonsums aufklären
- auf vorhandene Hilfsangebote hinweisen und diese unterstützen
Ärzte- und Patientenorganisationen spielen bei der Aufklärung eine wichtige Rolle und können die Staatsregierungen mit ihrem Fachwissen und zielgruppengerechten Informationsmaterialien unterstützen. Diese sollten besser gefördert werden, so ein Ergebnis des EU-Treffens, damit diese dauerhafte und effektive Aufklärung in Presse und sozialen Medien betreiben können.
Einige Gruppen sind besonders von Alkoholkrankheit
gefährdet: Hierzu gehören die Kinder alkoholkranker Eltern und Menschen mit
psychischen Problemen. Um diese Gruppen zu schützen, sollten gezielte
Strategien entwickelt, eingeführt und auf Effektivität überprüft werden. Die
erfolgreichsten Strategien (so genannte „best practice“-Beispiele) aus
einzelnen EU-Staaten sollen dabei vorgestellt werden, damit auch andere
europäische Staaten davon profitieren können.
Prävention, Frühdiagnose und Behandlung dringend notwendig
Nirgendwo sonst auf der Welt wird soviel Alkohol konsumiert wie in Europa. Je früher Menschen mit dem Trinken beginnen, desto höher scheint das Risiko von Alkoholkrankheiten zu steigen. Mehrere Staaten in der EU haben bereits nationale Strategien, um den Alkoholmissbrauch und seine Folgen einzudämmen. Auch die Europäische Union hat seit 2006 eine Alkoholstrategie eingeführt. Das Ziel ist, die Vorsorge, frühe Diagnose und Behandlung von Alkoholkrankheit zu verbessern und die Betroffenen sowie ihre Familien in der Bewältigung zu unterstützen.
Trotz einiger Fortschritte der nationalen und der EU-Strategie bleibt Alkoholmissbrauch ein öffentliches Gesundheitsproblem gewaltigen Ausmaßes. Allein im Jahr 2010 entstanden durch Alkoholmissbrauch in Europa geschätzte Schäden von 155,8 Milliarden Euro. Die Diagnoseraten sind nach wie vor niedrig.
Frühe Diagnose hilft
Ein weiterer Hauptpunkt sind die Diagnose, Behandlung und konsequente Unterstützung bei Alkoholkrankheiten. 2012 kam eine Studie des Centre for Addiction and Mental Health (CAMH) zum Schluss, dass die frühe Diagnose und der Zugang zu geeigneten Hilfsangeboten tausende von Leben retten könnten. Eine weitere Untersuchung der Alcohol Public Health Research Alliance (AMPHORA) erklärte im gleichen Jahr, dass ein europaweites Monitoring-System notwendig sei: Hiermit ließen sich die Prävalenz von Alkoholschäden feststellen und gleichzeitig nachverfolgen, inwieweit sich die Situation durch Frühdiagnostik, Behandlung und Beratungsangebote verbessern lässt.
Ärzte und medizinisches Personal sollte durch Schulungen, Training und Leitlinien darin unterstützt werden, Alkoholkrankheiten frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Relevante Leitlinien zu Alkoholschäden sollten entwickelt und regelmäßig aktualisiert werden; diese können Orientierung bieten, welche kurzfristigen Interventionen sinnvoll sind und wie eine qualitativ hochwertige Nachverfolgung gestaltet werden kann, um Alkoholkranke und ihre Familien zu unterstützen.
Schlüsselfunktion der Hausärzte
Allgemeinmediziner wie z.B. Hausärzte, aber auch medizinisches Personal spielen eine Schlüsselrolle bei der Frühdiagnostik von Alkoholschäden. Diese Fachkräfte sollten zuverlässige Untersuchungs- und Diagnosemöglichkeiten erhalten, um Menschen mit Alkoholproblemen zu identifizieren. Wichtig ist, dass diese Möglichkeiten auch konsequent genutzt werden. Hausärzte sollten alle Patienten auch langfristig im Hinblick auf Alkoholkonsum im Blick behalten. Zudem ist angedacht, auch Familien in Aufklärungsprogramme einzubinden, um Alkoholprobleme rechtzeitig zu erkennen, ihre Risiken zu verstehen und zu lernen, wie Betroffene unterstützt werden können.
Auf dem EU-Treffen wurden zudem Forderungen an die Regierungen der EU-Staaten gestellt. Diese müssen:
- Anreize für Allgemeinmediziner schaffen, Menschen mit einem Risiko für Alkoholmissbrauch zu untersuchen
- sicherstellen, dass es ein einheitliches Screeningprogramm gibt. Ein Teil davon ist ein verpflichtender und staatlich subventionierter Test der Leberenzyme (GPT/ALT) für sämtliche Hausarztpraxis-Patienten zwischen 20 und 60 Jahren, ebenso wie eine Dokumentation der Krankengeschichte (In Deutschland fordern die Deutsche Leberhilfe e.V., die Deutsche Leberstiftung und die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. schon seit Langem von der Bundesregierung, den sehr preisgünstigen GPT-Test in die allgemeine Vorsorgeuntersuchung Check-up 35 einzuführen)
- die Einführung von kurzfristigen Interventionen unterstützen, welche über den Gesundheitssektor hinausgehen. Hierzu gehören z.B. die Schulung von Personal in sozialen Einrichtungen, polizeiliche Interventionen gegen Alkohol am Steuer etc.
Um die Auswirkungen von Alkoholmissbrauch einzudämmen und betroffenen Patienten eine geeignete Hilfestellung zu sichern, sollten die Regierungen der EU-Staaten darüber hinaus Einrichtungen unterstützen, welche Alkoholkranke behandeln und/oder beraten. Gerade die langfristige Beobachtung ist notwendig, um die Genesung zu fördern und Rückfälle möglichst zu vermeiden. Auch ihre Familien sollten in solche Programme eingeschlossen werden.
Am 15. Mai 2013 wird die neue Alkoholstrategie in Brüssel vorgestellt. Neben einer zentralen Veranstaltung im Parlament finden in der gesamten Woche verschiedene Awarenessaktionen statt, um auf das Thema Alkohol und die damit verbundenen Missstände in der EU aufmerksam zu machen. Wir werden hier-über weiter berichten.
Zusammenfassung
Alkoholmissbrauch stellt die Europäische Union vor ein erhebliches medizinisches, soziales und ökonomisches Problem. Die Fortführung der EU-Strategie sieht deutlich energischere Maßnahmen vor als bisher und nimmt die EU-Staaten stärker in die Pflicht: Es ist zu hoffen, dass durch ein koordiniertes Vorgehen sowohl die Vorsorge als auch die Frühdiagnose und Betreuung von Alkoholkranken sowie ihren Familien verbessert wird. Die Deutsche Leberhilfe e.V. wird die neuen Empfehlungen auch mit der Bundesregierung diskutieren.