Katja Deterding und Michael P. Manns, Hannover
Hepatitis C Therapie – SVR und
Mortalität
Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben Personen mit chronischer Hepatitis-C-Virusinfektion ein signifikant höheres leberbezogenes Mortalitätsrisiko1-3. Weltweit sind 27 und 25% der Zirrhose- und HCC-Entwicklungen auf die HCV-Infektion zurückzuführen4. Liegt eine Leberzirrhose im Stadium Child A vor, so beträgt die jährliche Mortalitätsrate ca. 4%. In diesem Erkrankungsstadium stellt das hepatozelluläre Karzinom (HCC) mit einer jährlichen Inzidenz von ca. 4% (2-5%) die Hauptkomplikation und auch die Haupttodesursache dar5,6.
Die HCC-Inzidenz steigt
Die Inzidenz des HCC ist in den Industrienationen in den letzten 30 Jahren stark angestiegen. Im Vergleich zu 1975 ist ein Anstieg der Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms in den USA um ca. das Dreifache zu verzeichnen7,8. Insgesamt entstehen ca. 25% der hepatozellulären Karzinome auf dem Boden einer chronischen Hepatitis C9. Da die Entwicklung des hepatozellulären Karzinoms bei Hepatitis C infizierten Patienten ein altersabhängiger und über viele Jahre andauernder Prozess ist, ist der Höhepunkt der HCC- Inzidenz wahrscheinlich noch nicht erreicht, wenn man davon ausgeht, dass die Mehrzahl der Patienten sich in den 70zigern und 80zigern Jahren infiziert hat.
Eine weitere häufige Todesursache ist die hepatische Dekompensation. Die ersten klinischen Zeichen einer hepatischen Dekompensation bei Patienten mit Leberzirrhose sind häufig das Auftreten von Aszites mit der Gefahr einer spontan bakteriellen Peritonitis, gefolgt von der Ösophagusvarizenblutung. Nach der ersten hepatischen Dekompensation steigt das Mortalitätsrisiko im darauffolgenden Jahr um ca. 18% an10. Insgesamt haben Patienten mit einer HCV-assoziierten Leberzirrhose ein Mortalitätsrisiko von ca. 2-4%11.
Nutzenbewertung der Triple-Therapie
Die chronische Hepatitis C-Virusinfektion stellt aufgrund der mit ihr assoziierten Morbidität und Mortalität grundsätzlich eine behandlungsbedürftige Erkrankung dar; sie ist sowohl mit einer leberspezifischen, als auch mit einer erhöhten Gesamtmortaliät assoziiert12,13. Durch die Zulassung der Proteaseinhibitoren Boceprevir und Telaprevir haben sich die sustained virologic response (SVR) -Raten bei Patienten mit chronischer Hepatitis C Genotyp 1 signifikant verbessert. Doch welchen Einfluss hat dies auf die Prognose der Patienten? Das IQWIG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) hat in seinem Gutachten zum zusätzlichen Nutzen von Boceprevir und Telaprevir im Rahmen des AMNOG (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz) festgestellt, dass die SVR „per se kein patientenrelevanter Endpunkt und daher nicht mit Heilung der Erkrankung gleichzusetzen“ sei. Bislang gibt es – aufgrund der notwendigerweise langen Dauer solcher Studien sowie deren Komplexität – nur wenige Untersuchung zum Einfluss der SVR auf die Mortalität. Doch diese wenigen Studien deuten auf eine signifikante Reduktion sowohl der leberbezogenen, als auch der Gesamtmortalität hin.
SVR und Mortalität
In der von den amerikanischen National Institutes of Health (NIH) initiierten HALT-C-Studie (Hepatitis C Antiviral Long-Term Treatment Against Cirrhosis) betrug die Gesamtmortalität/Lebertransplantationsrate bei Patienten mit einer SVR nach 7,5 Jahren 2,2% gegenüber 21,3% bei Nonrespondern auf die antivirale Therapie. Die Zahlen für die leberbezogenen Morbidität/Mortalität lagen bei 2,7% (SVR) bzw. 27,2% (Non-Response)14.
Die Nachbeobachtung von 529 Patienten mit Zirrhose bis zu 20 Jahre nach Therapieende zeigt ein ähnliches Bild. Die 10-Jahresrate für Leberversagen lag bei Patienten mit SVR bzw. bei Patienten mit einem Therapieversagen (NR) bei 2,4% bzw. 31,7%. Hepatozelluläre Karzinome traten bei 5,3% bzw. 23,1% der Patienten mit SVR bzw. NR auf. Die leberbezogene Mortalität und die Gesamtmortalität über 10 Jahre betrug bei Patienten mit SVR bei 2,1% und 9,8% und war bei Patienten mit NR signifikant erhöht (Van der Meer, AASLD 2011, oral presentation).
In einer amerikanischen Analyse, die Daten von über 1215 Patienten mit chronischer Hepatitis C umfasste und die Ende letzten Jahres publiziert wurde, fand sich eine hochsignifikante Reduktion leberbezogener Krankenhausaufenthalte bei Patienten mit SVR. Diese Patienten mussten mehr als vierfach seltener stationär behandelt werden als Patienten die keine SVR erreichten. Die leberbezogene Mortalität war für Patienten mit einer SVR im Vergleich zu denen die keine SVR erreichen konnten, ebenso signifikant vermindert15.
Darüber hinaus konnte im Rahmen einer großem japanischen Multizenterstudie mit 1013 Patienten mit chronischer Hepatitis C gezeigt werden, dass eine SVR und eine komplette virale Suppression während der Therapie mit darauffolgendem Relapse mit einem deutlich niedrigeren Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms assoziiert ist im Vergleich zu den Patienten, die ein Nichtansprechen (NR) auf eine interferonbasierte Therapie zeigen16.
Fazit
Bei Patienten mit fortgeschrittener Fibrose bzw. kompensierter Zirrhose besteht eine dringende Therapieindikation17. Die Begrenzung der Therapien auf Patienten mit fortgeschrittener Fibrose erscheint jedoch aufgrund des variablen Verlaufs der Erkrankung nicht gerechtfertigt. Die Herausforderung in der klinischen Praxis ist die Identifizierung von Patienten bei denen die Erkrankung nur sehr langsam fortschreitet und die aufgrund dessen keine sofortige antivirale Therapie benötigen.
Bei jeder Therapieentscheidung sollte darüber hinaus im Rahmen der sorgfältigen Nutzen-Risikoabschätzung heute auch berücksichtigt werden, dass wahrscheinlich in naher Zukunft Interferon-freie Therapieregime zur Verfügung stehen werden.
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