Andreas Erhardt, Düsseldorf
Prävention und Screening des Virus-bedingten hepatozellulären Karzinoms (HCC)
Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom stellen die wichtigsten Komplikationen der chronischen Hepatitis B- und C-Virusinfektion dar. Nach Schätzung der WHO aus dem Jahre 2002 verursachten die Leberzirrhose mit 783.000 und der Leberzellkrebs mit 619.000 Todesfällen pro Jahr, insgesamt 2,5% der weltweiten Todesfälle.1 57% der Zirrhosefälle waren einer Hepatitis B (30%) oder einer HCV (27%) zuzuschreiben. Von den hepatozellulären Karzinomen waren 78% durch eine chronische Hepatitis B (53%) oder Hepatitis C (25%) bedingt. In absoluten Zahlen waren 929.000 Todesfälle einer Hepatitis B- oder C-Virusinfektion zuzuschreiben, wovon 446.000 durch eine Zirrhose bedingt sind und 483.000 durch ein hepatozelluläres Karzinom. Vor diesem Hintergrund sind Strategien zur Prävention und Screening der Leberzirrhose und des HCC von entscheidender Bedeutung.
Abb. 1: A) Inzidenz der akuten Hepatitis B in den USA (Quelle: Centers for Disease Control ); B) Inzidenz der akuten Hepatitis C in den USA (Quelle: Centers for Disease Control)
Primärprävention
Die Anzahl der akuten Hepatitis B- und C-Virusinfektionen sind in den letzten Jahrzehnten stetig rückläufig (Abb. A und B). Zum einen hat das verbesserte Screening von Blut und Blutprodukten die Inzidenz der Transfusionshepatitis sowohl für die Hepatitis B als auch die Hepatitis C gesenkt. Zum anderen steht für die Hepatitis B, nicht jedoch für die Hepatitis C, ein prophylaktischer Impfstoff zur Verfügung. Durch den weitflächigen Einsatz der Hepatitis B-Vakzine konnten Neuinfektionen und Komplikationen deutlich gesenkt werden. Beispielhaft sind hierfür die Daten aus Taiwan.2
Screening
Die Leberzirrhose ist als eine Präkanzerose für die Entstehung des hepatozellulären Karzinoms anzusehen. Die Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms liegt für die Virushepatiden bei 1-4%/Jahr. Daten der HALT-C-Studie, bei der Patienten mit Leberzirrhose prospektiv untersucht wurden, ergeben eine jährliche Inzidenz von 1,5% für die Entstehung des hepatozellulären Karzinoms bei Patienten mit Child-Pugh A Zirrhose.3 Aufgrund der hohen Inzidenzraten für das hepatozelluläre Karzinom ist ein Screening von Patienten sinnvoll und wird in den gängigen Leitlinien für Patienten mit Leberzirrhose durchweg empfohlen.4, 5 Allerdings ist die zugrundeliegende Datenlage äußerst spärlich. Bislang gibt es nur eine randomisierte prospektive Studie, die aufzeigen konnte, dass ein sechsmonatiges Screening mittels Alfa-Fetoprotein und mittels Ultraschall einem „watch-and-wait“ überlegen ist.6 In dieser chinesischen Studie, die 18.816 Patienten mit Marker einer vorangegangenen oder aktiven Hepatitis B rekrutierte, konnte die Mortalität im Überwachungsarm um 37% gesenkt werden. Es bestehen eine Reihe weiterer unkontrollierter Studien7, 8, die ebenfalls nahelegen, dass ein Screening besser ist als keine Überwachungsstrategie.
Überwachungsstrategie
In welcher Form das Screening durchgeführt werden sollte, ist in vieler Hinsicht nicht durch prospektive Studien belegt. Alfa-Fetoprotein und Ultraschall sind die beiden Verfahren, die zur Anwendung kommen. Der klinische Stellenwert weiterer serologischer Marker wie z.B. der lektinbindenden AFP-Fraktion (AFP-L13) und des Des-gamma-carboxy-Prothrombins (DCP) sind unklar. Für einen AFP von 20 ng/ml, das häufig als ein Cut off angegeben wird, liegt die Sensitivität bei nur 60%. Für einen Cut off von 200 ng/ml fällt die Sensitivität sogar auf 22%.9 Im Gegensatz zum Screening hat sich das AFP in Verbindung mit der Bildgebung für die Diagnostik des HCCs als valide erwiesen.4, 5 Der Ultraschall der Leber hat im Vergleich zum HCC eine bessere Sensitivität von 65-70% und eine Spezifität von über 90% als Screeningverfahren.8 Da jedoch der Ultraschall kein standardisiertes Verfahren ist und sowohl vom Anwender als auch von den gerätetechnischen Gegebenheiten abhängig ist, kann die diagnostische Wertigkeit stark variieren. Der Nutzen der Kontrastmittelsonographie ist für das Screening auf HCC bislang nicht gezeigt.10 Hinsichtlich der Screeningintervalle gibt es einen weitgehenden Konsens, dass diese bei mindestens sechs Monaten liegen sollten. In einer auf dem EASL-Kongress in Kopenhagen vorgestellten retrospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass ein 6monatiges Intervall gegenüber einem 12monatigen Intervall die Detektion von kleineren Karzinomen ermöglicht.11 Insgesamt ist jedoch anzumerken, dass das Screening das individuelle Patientenrisiko berücksichtigen sollte. So sollten Patienten mit steigenden AFP-Werten, langer Krankheitsdauer und hoher Lebersteifigkeit engmaschiger und mit größerem technischem Aufwand untersucht werden als Patienten, die diese Kriterien nicht aufweisen. Insbesondere Patienten, die in der Vorgeschichte bereits ein HCC entwickelt haben und einer kurativen, operativen oder lokal ablativen Maßnahmen unterzogen wurden, haben ein hohes Risiko für Rezidive und sollten hierfür einer besonders engmaschigen Kontrolle unterzogen werden. Die Rezidivrate liegt bei bis zu 80% nach 5 Jahren.12
Abb. 2: Inzidenzen für das HCC in Abhängigkeit von einer Erhaltungstherapie mit pegyliertem IFN-alfa2a und dem Fibrosestadium aus der HALT-C Studie
Chemoprävention des HCC
Hepatitis C
Bereits in den 90ziger Jahren konnte gezeigt werden, dass durch eine erfolgreiche antivirale Therapie, die zu einer anhaltenden Viruselimination führt, das Risiko für die Entstehung eines hepatozellulären Karzinoms bei der Hepatitis C deutlich gesenkt werden kann. Non-Responder bzw. Relapser auf eine antiviral intendierte Therapie haben hinsichtlich der HCC Inzidenz kein Benefit von dieser Therapie.13 Mittlerweile liegen auch die endgültigen Ergebnisse aller großen Langzeittherapiestudien mit einer niedrig dosierten Erhaltungstherapie von pegyliertem Interferon vor. Übereinstimmend ergab sich in der Copilot-Studie14, der HALT-C-Studie3 als auch in der nun auf dem EASL-Kongress in Kopenhagen vorgestellten EPIC3-Studie15 durch eine niedrig dosierte Therapie mit pegyliertem Interferon über 3-5 Jahre kein Benefit hinsichtlich der HCC-Inzidenz.
Hepatitis B
Die Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms bei der Hepatitis B ist abhängig vom HBeAg-Status und der Viruslast.16 Patienten mit HBe-Ag positiver Hepatitis weisen ein über 60faches Risiko auf während ihrer Lebenszeit ein HCC zu entwickeln.17 Dieses Risiko vermindert sich auf einen Faktor 6 bei Patienten mit HBe-negativer Hepatitis. Entsprechend konnte durch eine Interferon-induzierte HBeAg-Serokonversion die Mortalität bei der Hepatitis B deutlich gesenkt werden.18 Eine Viruslast von 10.000 Kopien/ml wurde als ein Grenzwert identifiziert, oberhalb dessen das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom deutlich ansteigt.16 Allerdings gibt es bislang nur wenige Untersuchungen, die den Umkehrschluss erlauben, nämlich dass durch eine medikamentös bedingte Absenkung der Viruslast auch eine Reduktion des HCC-Risikos verbunden ist.
Eine der wenigen Studien, die diesen Aspekt untersucht haben, ist die Untersuchung von Liaw et al. bei der durch die Gabe von Lamivudin bei Patienten mit Hepatitis B-assoziierter Leberzirrhose die Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms gesenkt werden konnte.19 Basierend auf diesen Daten empfehlen die Leitlinien, bei Patienten mit Hepatitis B-assoziierter Leberzirrhose, frühzeitig eine antivirale Therapie mit einem Nukleosidanalogon einzuleiten.
Literatur beim Verfasser