PD DR. EWERT SCHULTE-FROHLINDE, MÜNCHEN
Chronische Hepatitis C
Antivirale Therapie bei älteren Patienten
Grundsätzlich ist eine erfolgreiche antivirale Therapie bei älteren Patienten mit chronischer Hepatitis C sinnvoll und möglich. Ein höheres Lebensalter hat einen ungünstigen Einfluss auf den Verlauf der Lebererkrankung und eine erfolgreiche Therapie verbessert die Prognose. Die Response-Raten sind neueren Untersuchungen zufolge mit denen bei jungen Patienten vergleichbar, wenn auch Nebenwirkungen häufiger zu sein scheinen.
Prävalenz
Der Anteil von Personen mit einem Alter von mindestens 65 Jahren beträgt in Deutschland über 16 Millionen. Die genaue Prävalenz einer HCV-Infektion in dieser Altersgruppe ist nicht bekannt. Ethnische Unterschiede in Verbindung mit regionalen Differenzen erschweren die exakte Bestimmung der Prävalenz in diesem Kollektiv. Infolge des häufig klinisch inapperenten Erscheinungsbildes der chronischen Hepatitis C ist auch hier von einer relevanten Dunkelziffer auszugehen. Bei Annahme einer HCV-Prävalenz von 0,5-1% in dieser Altersgruppe ist von 80.000-165.000 Patienten mit chronischer Hepatitis C und einem erhöhten Zirrhose-Risiko auszugehen.
Von den Folgeerkrankungen der Hepatitis C wie Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom (HCC) sind insbesondere ältere Patienten (z.B. > 65 Jahre) betroffen. Das Vorliegen einer Fibrose, die Fibroseprogression1-3 sowie die Manifestation eines HCC korrelieren mit dem Alter4. Dabei muss allerdings der Zeitpunkt der Infektion, d.h. das Erkrankungsalter von der Erkrankungsdauer unterschieden werden. Das Risiko von Folgeerkrankungen steigt nämlich nicht nur mit der Dauer der chronischen Infektion. Auch ein Erkrankungsalter über 40 Jahre ist mit einem akzelerierten Verlauf der Leberparenchymschädigung bei chronischer Hepatitis C verbunden (Abb. 1)5.
In die gleiche Richtung weist die Beobachtung eines deutlich rascheren Fortschreitens der Fibrose nach Lebertransplantation bei Organen älterer Spender. Hier führt die HCV-Reinfektion der Transplantatorgane im Vergleich zu Organen von jüngeren Spendern zu einem beschleunigten Fibroseprogress6.
In einer britischen Studie wurde die Häufigkeit einer Hepatitis C assoziierten Leberzirrhose von asiatischen mit kaukasischen Patienten in Abhängigkeit vom Alter analysiert. 78% der asiatischen Patienten in der Altersgruppe 61-80 Jahre und 25% der kaukasischen Patienten wiesen bereits eine Leberzirrhose auf. Bei der weiteren Untersuchung ursächlicher Faktoren konnte für beide Kollektive eine direkte Korrelation von Alter und Fibroseprogress gezeigt werden. Bei asiatischen Patienten ergab sich bei einer Erkrankungsdauer von 60 Jahren eine Prävalenz der Leberzirrhose von 71%7.
Abb. 1: Einfluss von Alter und Infektionsdauer auf das Fibrosestadium bei Patienten mit chronischer
Hepatitis C 5.
Abb. 2: Verteilung der Fibrosegrade in unterschiedlichen Altersgruppen bei asiatischen und kaukasischen
Patienten mit chronischer Hepatitis C 7.
Eine französische Studie bestätigt indirekt diese Ergebnisse. In dieser Arbeit wurden die Daten von 6.865 über 65-jährigen mit chronischer Hepatitis C ausgewertet. Im Vergleich zu jüngeren Patienten waren sie bei der Diagnosestellung sowohl älter als auch schon länger erkrankt und die Diagnose wurde häufiger erst im Rahmen einer Komplikation der Lebererkrankung gestellt. Die Wahrscheinlichkeit in der Leberbiopsie eine höhergradige Fibrose (>F1) vorzufinden, war bei Patienten > 65 Jahre im Vergleich zu jüngeren Patienten deutlich erhöht (OR = 3,73). In nicht-invasiven Fibrotests, z.B. Fibroscan, wurde eine Zirrhose bei 58% der über 80-jährigen, bei 37% der zwischen 65- und 80-jährigen, aber nur bei 14% der unter 65-jährigen dokumentiert (p<0,001). Die über 80-jährigen mit Zirrhose hatten zudem häufiger eine normale GPT als die unter 65-jährigen (43% vs 31%, p <0,001)8.
INDIKATION ZUR THERAPIE
Eine erfolgreiche antivirale Therapie im Sinne eines dauerhaften virologischen Ansprechens (SVR) hält den Fibroseprogress auf und kann bei inzipienter Leberzirrhose zur Verbesserung der Leberhistologie führen. Ferner ist mit einer SVR eine deutliche Reduktion der Entstehung eines HCC bei Patienten mit Leberzirrhose verbunden. Dies gilt auch für ältere Patienten. Japanische Daten zeigen bei über 60-jährigen Patienten mit HCV-assoziierter Leberzirrhose ein verlängertes Überleben durch eine Behandlung mit Interferon und zwar insbesondere für Patienten mit SVR9. Diese Gründe sowie die stetig steigende Lebenserwartung sind gute Argumente für die antivirale Behandlung der Älteren.
Es gibt aber auch Umstände, die eine antivirale Therapie erschweren. So ist die antivirale Standard-Therapie bei fortgeschrittener Lebererkrankung mit Fibrose oder gar Leberzirrhose seltener erfolgreich und weniger gut verträglich. Diese Situation liegt bei älteren Patienten häufiger vor. Ferner findet man in Deutschland bei den Älteren meist eine HCV-Genotyp-1-Infektion mit reduziertem Ansprechen auf eine antivirale Therapie.
Die Indikation zur Therapie erfordert deshalb bei Patienten im höheren Lebensalter eine intensive Diagnostik (ev. mit Biopsie zur Abklärung des Fibrosestadiums) und eine adäquate Nutzen-Risiko-Abwägung. Niedergelassene Ärzte in Frankreich beispielsweise behandeln laut einer Umfrage über 65-jährige Patienten signifikant seltener als jüngere Patienten. Die Ursachen hierfür waren allerdings nicht nur medizinische Kontraindikationen durch Komorbiditäten, sondern auch eine prinzipielle Anlehnung der Therapie in dieser Altersgruppe10.
ERMUTIGENDE ERFOLGSRATEN
Abb. 3: Analyse der SVR nach Altersgruppen durch eine antivirale Therapie mit pegy- liertem IFN
alfa-2b/Ribavirin 13.
Die Datenlage zur antiviralen Therapie von über 65-jährigen ist spärlich. In den bekannten Zulassungsstudien war jüngeres Lebensalter mit einem höheren Therapieerfolg verbunden. Die Anzahl älterer Studienteilnehmer war allerdings eher gering11,12.
In der bereits erwähnten französischen Untersuchung waren 170 Patienten antiviral behandelt worden. 20 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 70 Jahren hatten pegyliertes Interferon alfa-2b und Ribavirin erhalten. 60% davon hatten einen Genotyp-1. Bei 5/20 Patienten musste die Therapie abgebrochen werden. Neun Patienten (45%) erreichten eine SVR8.
Die jüngste Untersuchung zu diesem Thema wurde im vergangenen Jahr auf der AASLD von Flamm et al. vorgestellt. In der Subanalyse der WIN-R Studie wurde das virologische Ansprechen auf eine antivirale Therapie mit pegyliertem IFN alfa-2b und Ribavirin in Abhängigkeit vom Patientenalter untersucht13. 40% der Patienten hatten einen Genotyp-2 und 58% eine fortgeschrittene Fibrose (F 3 und 4). Die Patienten >65 Jahre erzielten eine mit den jüngeren Altersgruppen vergleichbare SVR. Die Abbruchraten waren ebenfalls vergleichbar, obwohl die Nebenwirkungsrate ab 55 Jahren zunahm.
PRAKTISCHES VORGEHEN
Angesichts dieser Daten sollte man ältere Patienten (auch bei HCV-Genotyp-1) nicht automatisch von der Behandlung ausschließen. Vor Therapie sollte man jedoch den Patienten auf mögliche Begleiterkrankungen gründlich untersuchen (z.B. Ergometrie, Lungenfunktionsbeurteilung). Während der Therapie sind initial engmaschige Wiedervorstellungen (z.B. wöchentlich) empfehlenswert. Dabei sollte man insbesondere auf eine ausreichende Hydratation, auf Veränderungen der körperlichen Belastbarkeit und des psychischen Befindens achten. Bei Symptomen wie Schlafstörungen, beginnende Antriebslosigkeit etc. sollte man frühzeitig antidepressiv behandeln.
PD Dr. med. Ewert Schulte-Frohlinde
Klinikum rechts der Isar
Ismaninger Straße 22 · 81675 München
Email: Ewert.Schulte-Frohlinde@lrz.tu-muenchen.de.
Literatur
1. Ryder SD, et al. Progression of hepatic fibrosis in patients with hepatitis C: a prospective repeat liver biopsy study. Gut 2004;53:451455.
2. Leandro G, et al. Relationship between steatosis, inflammation, and fibrosis in chronic hepatitis C: a meta-analysis of individual patient data. Gastroenterology 2006;130:16361642.
3. Perumalswami P et al. Steatosis and progression of fibrosis in untreated patients with chronic hepatitis C infection. Hepatology 2006;43:780-787.
4. Watson JP, et al. Hepatitis C virus: epidemiology, and genotypes in the north east of England. Gut 1996;38: 269-276.
5. Poynard T, et al. Natural history of liver fibrosis progression in patients with chronic hepatitis C. Lancet 1997; 349: 825832.
6. Marina Berenguer: What determines the natural history of recurrent hepatitis C after liver transplantation? Journal of Hepatology 2005;42: 448479.
7. D´Souza R, et al. Prevalence of hepatitis C-related cirrhosis in elderly Asian patients infected in childhood. Clin Gastroenterol Hepatol. 2005;3:910-917.
8. Thabut D, et al. Hepatitis C in 6,865 patients 65 yr or older: a severe and neglected curable disease? Am J Gastroenterol 2006;101:1260-7.
9. Shiratori Y, et al. Antiviral therapy for cirrhotic hepatitis C: association with reduced hepatocellular carcinoma development and improved survival. Ann Intern Med 2005; 142: 105-114.
10. Hatem C, et al. Is the management of hepatitis C patients appropriate? A population-based study. Aliment Pharmacol Ther 2005; 21: 100715.
11. Fried MW, et al. Peginterferon alfa -2a plus ribavirin for chronic hepatitis C infection. N Engl J Med 2002;347:975-82.
12. Manns MP, et al.Peginterferon alfa-2b plus ribavirin compared with interferon alfa-2b plus ribavirin for initial treatment of chronic hepatitis C: a randomised trial. Lancet 2001; 358: 95865
13. Flamm SL, et al. Pegylated Interferon alfa-2b + Ribavirin is equally efficacious and well tolerated in patients > 65 years old in comparison to other age groups: subanalysis of a randomized, controlled study (WIN-R Trial) Abstr. 338, AASLD 2006.