HCV effektiv eliminieren und gesundheitliche Chancenungleichheit abbauen
Herausforderungen durch Corona: Hepatitis-C-Eliminationsziel für 2030 im Blick behalten

07. Juni 2022

Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Bundesregierung ist klar definiert: Bis zum Jahr 2030 sollen Infektionen mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) eliminiert werden.1,2 Was zum Zeitpunkt der Zielsetzung jedoch noch niemand vorhersehen konnte, war die Corona-Pandemie. Diese hatte vor allem Auswirkungen auf die Versorgung der Betroffenen, wie Priv.-Doz. Dr. med. Christoph Boesecke, Bonn, erklärte. In einer jüngsten Auswertung interna­tionaler Zentren ging allein die Zahl neuer Patient*innen im ambulanten Setting um 42 %, die Überweisung von Betroffenen um 49 % zurück. Diesem Trend soll u. a. die neue Implementierung des Screenings auf Hepatitis B und C im allgemeinen Gesundheits-Check-up für Versicherte ab 35 Jahren in Deutschland entgegenwirken.3

Wie wichtig eine effektive Behandlung ist, belegen Daten aus einer spanischen Kohorte4 HIV-positiver Patient*innen: Bis 2019 wurden 95 % der Betroffenen mit einer direkt antiviral wirksamen (DAA-)Therapie behandelt. Daraufhin reduzierte sich die Prävalenz aktiver HCV-Infektionen um 90 % (auf 2,2 %). In Deutschland erhalten jedoch immer noch sehr viele Patient*innen keine HCV-Therapie. Dies liegt in der Regel an einer Aufschiebung der Behandlung, beispielsweise aufgrund einer Substitutionstherapie oder einer mangelnden Compliance.5 Ein weiterer Grund gegen eine Therapie, die in der Regel 8 bis 12 Wochen dauert, ist die Angst vor Nebenwirkungen oder das als zu hoch ein­geschätzte Alter der Patient*innen.5 „Die amerikanischen Kolleg*innen haben in der ACTG-Studie allerdings gezeigt, dass man die Therapie auch sehr einfach gestalten kann“, unterstrich Boesecke.6 Die Patient*innen hatten lediglich zweimal direkten Kontakt zu ihrem Behandler. Danach erfolgte die Betreuung über Telefon, soziale Medien oder Textmessages. Die Ansprechrate hat mit 95 % nicht unter diesem Vorgehen gelitten. Lediglich bei Patient*innen, die bereits in Woche vier keine stabile Adhärenz aufwiesen, jünger waren und einen aktiven Drogengebrauch verfolg­ten, waren die Ausheilungsraten etwas schlechter. Vor allem die sozialen Medien scheinen ein gutes Tool zu sein, um die HCV-Therapie erfolgreich durchführen zu können.

Auch die Lebensqualität profitiert von einer effektiven Therapie

Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass eine HCV-Therapie nicht alleine das virologische und immunologi­sche Outcome begünstigt, sondern sich auch stark in der Lebensqualität der Betroffenen niederschlägt, berichtete der Experte. Daten aus dem deutschen Hepatitis-C-Register be­legen, dass durch die Behandlung bereits nach kurzer Zeit sowohl physische als auch psychische Verbesserungen be­obachtet werden können.7

Mikroelimination mit Hilfe von DAA möglich?

Die zentrale Frage bei der Elimination von HCV ist die nach dem effektivsten Vorgehen. Auf welche Weise kann das Ziel einer 90-prozentigen Inzidenzreduktion bis 2030 erreicht werden? Aktuelle Kohortendaten aus der Schweiz zeigen auf, dass eine gezielte Behandlung mit DAA zu einem deut­lichen Rückgang sowohl der Infektion als auch der Re-Infektion führt.8 Entsprechend sieht Boesecke den Weg in einer frühzeitig durchgeführten DAA-Therapie in Hochrisikopopulationen wie z. B. HIV-positiven Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben.

Die PLUS-Gesundheitsinitiative: Gemeinsam stark

Wie ein gutes HCV-Management aussehen kann, zeigte Dr. med. Ramona Pauli, München, anhand ihrer Erfahrungen als Teil der PLUS-Gesundheitsinitiative in München auf. Sie unterstrich die Notwendigkeit einer lokalen Hepatitis-C-Initiative anhand der Tatsache, dass vor allem injizierende Drogengebrauchende zur HCV-Hochrisikogruppe gehören. Bis zu 170 000 Menschen gelten in Deutschland als hero­inabhängig – meist mit intravenösem Konsum.9 Von die­sen erhalten 77 200 eine Substitutionsbehandlung.10 Daher besteht die Empfehlung, dass sich vorhandene Strukturen auf lokaler Ebene, wie die Drogenhilfe, Suchthilfe, Substitutionseinrichtungen sowie Infektiologie/Hepatologie, besser vernetzen und zusammenarbeiten. Denn es wird vermutet, dass die HCV-Therapieraten bei aktiv Drogengebrauchen­den sehr niedrig sind. Valide Daten liegen hierzu nicht vor, so Pauli. Ein Grund könnte in der Herausforderung für Sucht-Patient*innen liegen, einen Behandler aufzusuchen. Der Handlungsbedarf liegt daher in einem niederschwelligen Präventions- und Unterstützungsangebot, dem Aufbau von Zuweiserstrukturen sowie einer Stabilisierung von Substitutionspatient*innen. Nur so lässt sich die gesund­heitliche Chancenungleichheit abbauen, ist die Expertin überzeugt.

Mit Hilfe der PLUS-Gesundheitsinitiative ist in München ein lokaler Zusammenschluss erfolgt. Der Kooperati­onspartner lädt verschiedene Projektpartner zum runden Tisch, bei dem mögliche Projekte und Ziele besprochen werden. Zu den Teilnehmer*innen in München zählen u. a. Suchtmediziner*innen/Infektiolog*innen, Suchthilfe-einrichtungen, AIDS-Hilfe, Referatsvertreter*innen der Landeshauptstadt München, Mitarbeiter*innen des Klini­kums rechts der Isar sowie Mitarbeiter*innen von AbbVie. Zu den besprochenen Themen zählen beispielsweise eine permanente Bedarfsanalyse, Informationen über gesetzliche Rahmenbedingungen sowie die Umsetzung eines Testprojekts und die Realisie­rung von Health Adviser Stellen. Letztere wurden geschaf­fen, um eine Schnittstelle zwischen Drogengebrauchenden und den Behandlern darzustellen. Sie unterstützen die Ärzt*innen bei eventuell schwierigen Patient*innen und sind verlässliche Ansprechpartner*innen für beide Seiten. Das wichtigste Ziel dabei ist, die gesundheitliche Situation der Betroffenen zu verbessern.


PLUSEin PLUS gegen HCV

Die PLUS-Gesundheitsinitiative Hepatitis C wurde initial in Stuttgart von AbbVie gemeinsam mit dem Caritasverband für Stuttgart e.V. und der Deutschen Leberhilfe e.V. ins Leben gerufen. PLUS ist ein Ansatz für ein Mikroeliminationsprojekt, bei dem klar definierte Risiko­gruppen mit hoher Hepatitis-C-Prävalenz im Fokus stehen. Ziel von PLUS ist es, die regionale Gesundheitsversorgung von Men­schen mit HCV in den Bereichen Drogengebrauch, Substitution, Justiz- und Maßregelvollzug, MSM (Männer, die Sex mit Männern haben), Prostitution und Migration nachhaltig und strukturell zu verbessern. Weitere Informationen finden Sie unter:

www.hcvversorgungplus.de


Literatur
  1. World Health Organization. Global Hepatitis Report, 2017. Abrufbar unter: https://apps.who.int/iris/rest/bitstreams/1082592/retrieve (letzter Zugriff am 07.04.2022)

  2. Bundesministerium für Gesundheit, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2016). Bis 2030 – Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen. Abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/hiv-hepatitis-und-sti/bis-2030.html (letzter Zugriff am 07.04.2022)

  3. Gemeinsamer Bundesausschuss, 2020. Abrufbar unter: https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/912/ (letzter Zugriff am 07.04.2022)

  4. Fanciulli C et al. (2022). Epidemiological trends of HIV/HCV coinfection in Spain, 2015–2019. HIV Medicine 00: 1–12

  5. Buggisch P et al. (2021). Barriers to initation of hepatitis C virus therapy in Germany: A retrospective, case-controlled study. PLoS ONE 16(5): e0250833

  6. Solomon SS et al. (2022). A minimal monitoring approach for the treatment of hepatitis C virus infection (ACTG A5360 [MINMON]): a phase 4, open-label, single-arm trial. Lancet Gastroenterol Hepatol 7(4): 307–317

  7. Ohlendorf V et al. (2021). Only partial improvement in health-related quality of life after treatment of chronic hepatitis C virus infection with direct acting antivirals in a real-world setting-results from the German Hepatitis C-Registry (DHC-R). J Viral Hepat 28(8): 1206–1218

  8. Braun DL et al. (2021). A Treatment-as-Prevention Trial to Eliminate Hepatitis C Among Men Who Have Sex With Men Living With Human Immunodeficiency Virus (HIV) in the Swiss HIV Cohort Study. Clin Infect Dis 73(7): e2194–e2202

  9. Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin 2017. 30: 248

  10. Bericht zum Substitutionsregister in Deutschland. BfArM Januar 2016.


Mit freundlicher Unterstützung der AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG




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