Richard Lorenz, Dietmar Klass und Matthias Dollinger,
Ulm
Schwere Pneumonie unter
antiviraler Tripletherapie
Angesichts dieser Nebenwirkungen sind eine intensivere Patientenführung sowie Kenntnisse im Nebenwirkungsmanagement der verabreichten antiviralen Substanzen notwendig. Mit Erfahrung und verbessertem Management der Nebenwirkungen sollten die neuen Toxizitäten der Proteaseinhibitoren beherrschbar sein. Jedoch kann es wie im folgenden Fall zu Infektkomplikationen kommen, welche zwar nicht direkt den HCV-Proteaseinhibitoren zuzuschreiben sind, aber in diesem Zusammenhang erwähnt werden müssen, da durch die Tripletherapie sich das Risiko des Auftretens dieser Komplikationen erhöhen kann. Gerade bei älteren Patienten und Patienten mit höhergradiger Leberfibrose kommt es häufiger zu einer ausgeprägten Neutropenie, welche die Infektneigung verstärken kann.
Fall
Bei einer 69jährigen Patientin ist seit dem Jahre 2005 eine chronische Hepatitis C bekannt. Damals erfolgte vor Einleitung einer antiviralen Therapie eine Leberbiopsie, in der sich eine mäßige entzündliche Aktivität (A2) sowie eine geringgradige Fibrose (F1) nach Desmet zeigte. Leider kam es nach 48-wöchiger Therapie mit pegyliertem Interferon alpha-2b und Ribavirin zu einem Wiederauftreten der Erkrankung (Relapse). Nebendiagnosen waren eine Hüft-TEP mehrere Jahre zuvor und Übergewicht (BMI 29 kg/m² KÖF).
Die Patientin stellte sich halbjährlich bei uns in der Leberambulanz vor und wurde vor Einleitung der Tripletherapie mit Boceprevir im Januar 2012 erneut an der Leber biopsiert. Hier zeigte sich eine A1- und F1-Situation. Auf Wunsch der Patientin und des erhofften guten Ansprechens unter der Dreifachtherapie (niedrige Viruslast HCV-RNA 73.000 IU/ml, günstiger Fibrose-Score) starteten wir am 27. Januar die Therapie mit pegyliertem Interferon alpha-2a (180 µg/Woche) sowie Ribavirin (1200 mg/d). Zu Woche 5 Start mit Boceprevir. Insgesamt wurde eine gesamte Therapiedauer von 48 Wochen angestrebt, die Therapie mit Boceprevir sollte zu Therapiewoche 36 beendet werden.
Abbildung 1: Verlauf der Viruslast unter antiviraler Therapie.
Abbildung 2 : Blutbild unter antiviraler Therapie.
Abbildung 3a und 3b: Röntgenthorax der Patientin.
Nach dem Lead-in zu Woche 4 zeigte sich ein Abfall der HCV-RNA um 2,8 log-Stufen, zu Therapiewoche 8 (d.h. 4 Wochen Tripletherapie mit Boceprevir) war die Viruslast unter der Nachweisgrenze und hielt sich seither im nicht nachweisbaren Bereich (Abb. 1).
Ab Therapiewoche 8 trat eine Leukopenie WHO Grad 3 auf und ab Woche 12 eine Anämie WHO Grad 2. Eine vermehrte Infektneigung wurde von der Patientin nicht angegeben. Aufgrund der Anämie wurde Ribavirin zu Therapiewoche 12 auf 1000 mg/d reduziert. Der Hb-Wert fiel im Verlauf nicht weiter ab und blieb mit ca. 9,5 g/dl konstant. Die Leukozyten zeigten sich bis September unter 2 Giga/l (Abb. 2).
Am 30. September (Therapiewoche 35) stellte sich die Patientin in der Notaufnahme der Inneren Medizin mit Fieber, Schüttelfrost sowie Übelkeit und Erbrechen vor. Bei der körperlichen Untersuchung ergab sich ein pathologischer Auskultationsbefund mit feinblasigen Rasselgeräuschen im Bereich des rechten pulmonalen Ober- und Mittelfeldes. Laborchemisch fielen deutlich erhöhte Entzündungswerte mit einem CRP-Wert von 218 mg/l (Norm < 5 mg/l) auf. Als Folge des häufigen Erbrechens mit inadequater Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme war die Patientin exsikkiert, laborchemisch manifestierte sich eine Hyponatriämie/Hypokaliämie mit erhöhten Nierenretentionswerten. Letztlich bestätigte sich in der Röntgenuntersuchung des Thorax eine Oberlappenpneumonie rechts mit Begleiterguss (Abb. 3). Es erfolgte eine antimikrobielle Therapie mit Piperacillin/Tazobactam, unter der die initial hohen Entzündungswerte relativ rasch regredient waren. Die antivirale Therapie musste abgebrochen werden.
Im Verlauf kam es zu einem Anstieg des Hb-Werts und der Thrombozyten. Es bestand jedoch weiterhin eine Leukopenie mit absoluter Granulopenie. Daher erfolgte die prophylaktischen Gabe von Ciprofloxacin. Im Verlaufs-Röntgen stellte sich die Pneumonie regredient dar. Nach insgesamt 12-tägigem Krankenhausaufenthalt konnte die Patientin nach Hause entlassen werden.
Fazit
Angesichts der Nebenwirkungen durch die HCV-Proteaseinhibitoren Telaprevir und Boceprevir sind eine intensivere Patientenführung sowie Kenntnisse im Nebenwirkungsmanagement der verabreichten antiviralen Substanzen notwendig. Von Bedeutung ist das erhöhte Infektrisiko unter PEG-IFN unabhängig von der Leukozytenzahl. Weitere Risikofaktoren sind höheres Alter, Diabetes mellitus sowie eine fortgeschrittene Leberfibrose. Im Falle einer sich abzeichnenden Leukopenie muss ggf. auch die Interferondosis reduziert werden. Patienten mit Anzeichen einer Infektion sollten genau untersucht werden und ggf. stationär aufgenommen werden. Gerade bei älteren Patienten empfiehlt sich vor Therapiebeginn eine Impfung gegen Pneumokokken. Nur in Ausnahmefällen und in Rücksprache mit einem erfahrenen Fachkollegen sollte dagegen auf Grund der fehlenden Studienevidenz eine vorübergehende antimikrobielle Prophylaxe oder die Gabe von Granulozyten-Wachstumsfaktoren (GCSF) erfolgen.