Michael Kraus, Burghausen
Erfolg trotz vieler Probleme
Durch diese neuen Therapiemöglichkeiten ist es zum einen zu einer Intensivierung des Nebenwirkungsprofils der Interferon alpha und Ribavirin beinhaltenden sogenannten dualen Therapie (z.B. Hämatotoxizität) gekommen; zu anderen ergeben sich neue oder geänderte Toxizitäten, deren Management durchaus komplex erscheinen kann.
Am Beispiel einer Kasuistik eines mit Telaprevir behandelten Patienten soll dies illustriert werden.
Es handelt sich um einen 58-jährigen Patienten mit seit 1991 bekannter chronischer Hepatitis C, Genotyp 1b, akquiriert über die Substitution von Gerinnungsfaktoren bei bekannter Hämophilie B. Auf Vortherapien mit Interferon-Monotherapie 1991 sowie Kombinationstherapie mit pegyliertem Interferon alpha (pegIFN) und Ribavirin 2009 jeweils Relapse in der Nachbeobachtungszeit nach Therapieende.
Nachdem die SVR-Chancen mit Tripletherapie bei
Relapsepatienten hervorragend sind, wurde ein erneuter Therapieversuch 1/2012
mit pegIFN, gewichtsadaptiertem Ribavirin und Telaprevir eingeleitet. 14 Tage
nach Behandlungsbeginn klagt der Patient über gastrointestinale Beschwerden im
Zusammenhang mit der Einnahme von Telaprevir plus „Fettbeilage“. Konkret berichtet
er über zunehmende Übelkeit, gelegentlich mit Erbrechen, sowie krampfartige
Bauchschmerzen und
Diarrhoen.
Haloperidol gegen Übelkeit
Trotz eingehender Ernährungsberatung, Metoclopramid- und Dimenhydrinatgabe besserten sich die abdominellen Beschwerden nicht. Schließlich brachte die Applikation von Haloperidoltropfen (5-8 gtt vor den Mahlzeiten) eine gewisse Besserung, die eine Fortführung der Behandlung ermöglichte. Auf die zusätzliche Gabe von Ondansetron wurde verzichtet, da sowohl Haloperidol wie Odansetron über das Enzym CYP 450 3A4 metabolisiert werden und das Interaktionspotential bisher nicht geklärt ist. Zu Woche 4 war der Patient HCV-RNA negativ.
Rash und Anämie
Abbildung 1 Rash unter Tripletherapie mit Telaprevir zu Woche 6.
Ab Behandlungswoche 6 kamen zu den Bauchbeschwerden Hautsymptome hinzu. Der Patient klagte über erheblichen Juckreiz und Rash im Bereich des Rumpfes sowie der Extremitäten. (Abb. 1). Der Juckreiz war unter Gabe von Cetirizin zunächst tolerabel. Zur Behandlung des Exanthems wurden zusätzlich topische Steroide (Prednicarbat bzw. Clobetasolproprionat) nebst Intensivierung der Hautpflege mittels fetthaltiger Cremes eingesetzt, allerdings ohne eine wesentliche Besserung der Symptomatik zu erreichen. Zu Woche 8 entwickelte der Patient zusätzlich eine transfusionspflichtige Anämie (Hb 7,4 g/dl).
Schweregerade von Rash
- Leicht: lokal begrenzter Hautausschlag und/oder Hautausschlag mit begrenzter Ausbreitung (eine bis mehrere isolierte Stellen)
- Mittelgradig: diffuser Hautausschlag unter Einbeziehung von ≤ 50 % der Körperoberfläche (BSA)
- Schwer: Ausbreitung des Hautausschlags > 50 % der BSA ODER asso-ziiert mit deutlichen systemischen Symptomen, muköse (Schleimhaut-) Ulzerationen, Kokardenläsionen, Epidermisablösung
- SCAR: generalisiertes bullöses Exanthem, DRESS (drug rash mit Eosi-nophilie und systemischen Symptomen), Stevens-Johnson Syndrome/toxische epidermale Nekrose, akute generalisierte exanthematöse Pustulosis, Erythema multiforme.
Abbildung 2: Klassifizierung des Telaprevir-Rash
Behandlung des Rash bei Telaprevir
- Grad 1 (juckend, trockem) Fetthaltige Cremes
- Grad 2 (juckend, einzelne rote Flecken) ∙ Antihistaminika (Xusal oder Aerius; cave: kein Terfenadine, Loratadin, Astemizol) ∙ Topische Kortikosteroide (z.B. Dermatop)
- Grad 3 (rote Flecken konfluieren < 50 % KOF) Therapie wie Grad 2 aber: ∙ statt Dermatop topisch Bethametason ∙ Zusätzlich 1 Tbl. Atarax z.N.
- Grad 4 (Rash < 50 % KOF, Blasen, Nekrosen) ∙ Absetzen von Telaprevir, sonst Therapie wie bei Grad 3 ∙ Falls nach 7 Tagen keine Besserung: auch Ribavirin absetzen
Abbildung 3 Therapeutisches Vorgehen bei Rash unter Telaprevir richtet sich nach Schweregrad und Ausbreitung.
Angesichts dieser vielfältigen und teils schwerwiegenden
Nebenwirkungen musste Telaprevir zu Woche 8 abgesetzt werden. Die duale
Therapie wurde weitergeführt, wobei Ribavirin auf 600 mg/d reduziert wurde und
nach Anstieg des Hb-Wertes auf Ribavirin 800 mg/d erhöht und in dieser
Dosierung bis Behandlungswoche 32 weiter gegeben wurde. Die Gesamttherapiedauer
betrug aufgrund der nur 8-wöchigen Telaprevir-Therapie nicht wie zunächst
vorgesehen 24 Wochen, sondern bei nun guter Verträglichkeit 32 Wochen.
Zwischenzeitlich hat sich der Patient zur Woche 12 nach Therapieende mit
hervorragender Rekonvaleszenz vorgestellt und weist eine SVR-12 auf.
Fazit
Unter der Tripletherapie mit Telaprevir traten in den Zulassungsstudien häufig Hauttoxizitäten auf, die bei bis zu 5 % der Patienten als schwerwiegend klassifiziert wurden. Inzwischen kommt es durch den Einsatz von fettenden Cremes und der frühzeitigen topischen Behandlung mit Steroiden nur noch etwa bei 2-3 % der Patienten zu einem gravierenden Rash.
Der Schweregrad und die Ausbreitung auf der Körperoberfläche (Abb. 2) entscheiden, welche Maßnahmen (Abb. 3) getroffen werden müssen. Wichtig scheint der frühe Einsatz topischer Steroide zu sein (Abb. 4). Eine entsprechende Vorstellung und Absprache der Therapie sollte im Rahmen eines dermatologischen Konsils erfolgen. Bei Auftreten lebensbedrohlicher Hauttoxizitäten wie einem DRESS-Syndrom oder einem Steven-Johnson-Syndrom ist eine stationäre Behandlung mit sofortigem Behandlungsabbruch der gesamten antiviralen Therapie unumgänglich.
Gruppeneinteilung | Generika | Präparatenamen | Generation |
I. Schwach | Hydrocortison Hydrocortisonacetat Prednisolon |
Dermo Posterisan® Ebenol® Linola H N® |
1 1 1 |
II. Mittelstark | Hydrocortisonaceponat Hydrocortisonbutyrat Hydrocortisonbuteprat Prednicarbat |
Retef® Alfason® Pandel® Dermatop® |
4 4 4 4 |
III. Stark | Mometasonfuroat Fluocinolonacetonid |
Ecural® Ultralan® Volon A® |
3 2 2 |
IV. Sehr stark | Clobetasolproprionat Diflucortolonvalerat |
Dermoxin® Nerisona forte® |
2 3 |
Mit freundlicher Genehmigung von Frau Prof. Dr. med. Claudia Traidl-Hoffmann, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, TU München |
Abbildung 4: Übersicht topische Corticoide.
Auch gastrointestinale Beschwerden können erhebliche Probleme bereiten, die die notwendige exakte Adhärenz an das komplexe Medikamentenregime mit bis zu 18 Tabletten/d und damit den Therapieerfolg nachhaltig beeinträchtigen können. Dies scheint ein Klasseneffekt der Proteasehemmer zu sein. Ein Wechsel des Proteasehemmers hat aus meiner Erfahrung zu keiner Besserung der Symptomatik geführt. Metoclopramid (MCP) und Diphenhydramin-Gaben helfen in der Regel nur marginal. Ondansetron und Haloperidoltropfen scheinen effektiver zu sein, das Interaktionspotential der beiden zuletzt genannten Substanzen mit Proteasehemmern ist bei gleichem Abbauweg über das CYP 450 3A4 im Moment noch unklar.