Stefanie Holm, Hannover
Erfolg trotz viel zu kurzer Therapie
Im August 2006 stellte sich eine 43- jährige Patientin mit
einer seit November 2005 bekannten Hepatitis C-Infektion erstmals in unserer
Praxis vor. Bislang war keine Behandlung erfolgt. Es lagen keine weiteren
Begleiterkrankungen vor.
Sie berichtete, nahezu ständig erschöpft, schlecht belastbar und müde sowie häufig antriebslos und depressiv zu sein.
Bei der körperlichen Untersuchung waren bis auf ein leichtes Übergewicht (BMI von 26) keine Auffälligkeiten feststellbar.
Laborchemisch waren die GPT mit 55 IU/ml und die GOT mit 31 IU/ml erhöht. Die HCV-RNA wurde mit 940.000 Kopien/ml bestimmt. Das Virus hatte den Genotyp 1b. Alle sonstigen Routineparameter waren normwertig. Sonographisch zeigte sich eine deutliche Hepatopathie vom Fettleber-Typ.
Dringlicher Therapiewunsch
Im ersten, ausführlichen Gespräch äußerte die Patientin einen dringenden Therapiewunsch. Am 17.11.2005 begannen wir eine duale Therapie mit 100µ pegyliertem Interferon alfa-2b/Woche und 1000 mg Ribavirin/Tag. Eine flankierende Therapie mit Citalopram lehnte die Patientin ab.
Zu Woche vier war die HCV-RNA noch mit 44.624 Kopien/ml messbar. Zudem war eine eine Anämie mit einem Hb von 10.2 mg/dl aufgetreten. Subjektiv war die Patientin deutlich beeinträchtigt, schwächebedingt nahezu dauerhaft bettlägrig.
Zu Woche 12 lag die Viruslast zwar unter der damaligen Nachweisgrenze von 600 Kopien/ml, war aber noch positiv.
Massive Diarrhoe
Nach Woche 15 traten therapierefraktäre, über sechs Wochen
anhaltende, wässrige Durchfälle auf. Während eines Kuraufenthaltes reduzierte
die Patientin die Ribavirindosis ohne Rücksprache auf
400 mg täglich, worauf die Durchfälle sistierten.
Zu Woche 20 fielen steigende TSH-Werte bei beginnender peripherer Hypothyreose und deutlich erhöhten Schilddrüsen-Autoantikörpern auf. Unter der Subsitition mit 50µg L-Thyroxin normalisierten sich die Werte. Der weitere Verlauf war komplikationslos. Bei Therapieende nach 48 Wochen war die HCV-RNA negativ.
Relaps
Die Messung 12 Wochen nach Therapieende zeigte dann allerdings einen Relapse mit einer HCV-RNA von 1.300.000 Kopien/ml bei wieder diskret erhöhten Transaminasen.
Die folgenden Jahre waren von längeren depressiven Phasen mit Aufenthalten in psychiatrischen Tageskliniken und einer deutlich Somatisierungstendenz geprägt.
Im Sommer 2011 war die Patientin wieder deutlich stabiler und thematisierte wiederholt eine potentielle Re-Therapie.
Die daraufhin durchgeführte Leberhistologie zeigte einen Fibrosegrad 2.
Therapiestart
Nach multiplen Gesprächen entschieden wir uns zur Tripletherapie mit Boceprevir. Entsprechend starteten wir am 12.9.2011 mit peyliertem Interferon alfa-2a 180µl/Woche und Ribavirin 1000 mg/Tag bei einer Ausgangsviruslast von 5.450.000 IU/ml.
Nach 14 Tagen waren tolerable, grippale Symptome und Müdigkeit vorhanden. Die Patientin begann die Einnahme von Boceprevir trotz Medikamentenprotokoll ohne Arztkontakt am Tag der 4. Interferon-Injektion versehentlich 1 Woche zu früh. Eine Messung der HCV-RNA nach dem Lead in war somit nicht möglich. Nach 4 Wochen, also nach der 1. Woche Tripletherapie, war die HCV-RNA auf 18 IU/ml gefallen. Die Patientin klagte über 8-10 wässrige Stühle, perianalen Juckreiz, starke Schwäche und Inappetenz. Zu Woche 8 war die Viruslast negativ, die Durchfälle erträglich, aber die Schwäche progredient.
Weitere Vorstellungen mit wechselnden Beschwerden erfolgten in kurzen Abständen am 17.10., 19.10, 24.10., 31.10., 1.11., 7.11. und 14.11.. Laborchemisch lag der Hb-Wert am 14.11. bei 8.9 mg/dl, die Leukozyten bei 2.300/µl. Eine ausgeprägte Cheilitis wurde mit Fluconazol über 5 Tage behandelt.
Früher Abbruch
Am 18.11. suchte die Patientin die Praxis erneut auf,
diesmal wegen Herzrasen, Schwindel und Panikattacken. Im EKG zeigte sich ein
Normalbefund. Trotz Opipramol steigerte sich die Symptomatik im Lauf der
nächsten Tage erheblich. Nach mehreren Notarztkontakten brach die Patientin die
Hepatitis C-Behandlung ohne weitere Rücksprache in Woche 11 ab. Sie hatte somit
Boceprevir nur acht Wochen lang eingenommen.
Abbildung 1: Verlauf der HCV- RNA (IU/ml) unter Tripletherapie mit Boceprevir. 0=nicht nachweisbar bei Testempfindlichkeit von 15 IU/ml.
Klinisch bestanden bis zum 13.12. anhaltende Brustschmerzen bei insgesamt sehr zögerlicher Erholung. Drei weitere, von der Patientin veranlasste kardiologische Abklärungen waren unauffällig.
Die HCV-RNA war zu Woche 12 und 24 nach Abbruch der Therapie negativ, so dass die Patientin mit nur knapp 11 Wochen Tripletherapie plus drei Wochen Lead in eine SVR erreicht hat (Abb. 1)
Fazit
Trotz intensivster Betreuung sind nicht ganz korrekte Behandlungsabläufe und ungeplante Therapieabbrüche im Einzelfall nicht vermeidbar. Heilungen nach wenigen Wochen unter den neuen Proteasehemmern sind beschrieben und belegen die hohe Potenz dieser Substanzen.