Imke Friedrichs, Annemarie Berger, Holger F. Rabenau, Martin Stürmer, Frankfurt
Infektiosität des Hepatitis C Virus

Das Hepatitis C Virus bleibt sowohl in Flüssigkeiten als auch in getrocknetem Zustand über einen längeren Zeitraum stabil. Daher stellen Nadeln und Nadelstichverletzungen ein nicht zu unterschätzendes Infektionsrisiko dar. „Sichere“ Instrumente sowie richtige Desinfektionsmittel können bei richtiger Anwendung (Konzentration und Einwirkzeit) das Infektionsrisiko minimieren.

Abbildung 1: Zeitliche Abhängigkeit der Infektiosität  von HCV bei 4° C in flüssigem Medium (modifiziert nach Ciesek et al., 2010). t ½: Halbwertszeit,  TCID50: Tissue Culture Infection Dose 50 (quantitativer Wert für die Infektiosität)
Abbildung 1: Zeitliche Abhängigkeit der Infektiosität  von HCV bei 4° C in flüssigem Medium (modifiziert nach Ciesek et al., 2010). t ½: Halbwertszeit,  TCID50: Tissue Culture Infection Dose 50 (quantitativer Wert für die Infektiosität)

Das Hepatitis C Virus (HCV) ist ein RNA-Virus mit einer stark lipidhaltigen Hülle und gehört zur Familie der Flaviviridae. Die weltweite Prävalenz beträgt ca. 3 % – wobei regional deutliche Unterschiede auftreten. Die höchste Durchseuchung wird mit ca. 20 % aus Ägypten berichtet. In Europa liegt die mittlere Durchseuchung bei ca. 1 %, allerdings mit einem Nord-Süd-Gefälle: ca. 0,1 % in skandinavischen Ländern bis hin zu ca. 6 % in südlichen Ländern wie Bulgarien, Griechenland, Italien und Rumänien. Empfänger von Blut und Blutprodukten waren bis zur Einführung des HCV-Antikörper-Screenings im Blutspendewesen Anfang der 90iger Jahre eine der Hauptrisikogruppen einer HCV-Infektion. Seitdem sind die Übertragungsraten in diesem Bereich drastisch zurückgegangen und das Risiko u. a. durch die Einführung der PCR-Testung im Blutspendewesen zumindest in den industrialisierten Ländern minimiert worden. Daten für Deutschland zeigen, dass die meisten HCV-positiven Blutspender zwar durch den Nachweis von spezifischen Antikörpern erkannt, dass jedoch jede 444.000-ste Blutspende seronegativ war und nur durch die PCR-Testung identifiziert und aussortiert werden konnte (Zeitraum 1999-2007; > 40 Millionen HCV-PCR getestete Blutspenden, Nübling 2012 – personl. communication). Neuinfektionen in Industrieländern sind nun hauptsächlich durch i.v. Drogenabusus („Needlesharing“) verursacht. Aber auch Piercing und Tätowierung unter schlechten hygienischen Bedingungen können ein Risiko darstellen. Dagegen sind die sexuelle Übertragung und die Mutter-Kind-Transmission mit einem vergleichsweise geringen Infektionsrisiko behaftet. Entsprechend ist die potenzielle Infektiosität verschiedener Körperflüssigkeiten durchaus unterschiedlich; während im Blut chronisch HCV-infizierter Patienten bis zu 108
Viruspartikel/ml nachweisbar sind, finden sich weder im Speichel noch im Urin nennenswerte Virusmengen (von Rheinbaben & Wolff, 2002).

Transmissionsrisiko Nadelstich

Da offensichtlich Nadeln bzw. Nadelstichverletzungen (NSV) eines der Hauptübertragungsrisiken für HCV darstellen, ist medizinisches Personal von Berufs wegen eine gefährdete Personengruppe. Zusätzlich können weggeworfene Kanülen ein potenzielles Risiko darstellen. Eine HCV-Infektion durch NSV ist seltener als die einer Hepatitis B, jedoch häufiger als die einer HIV-Übertragung (Berger et al., 2012), was primär durch die unterschiedlich hohen Virusmengen im Blut bedingt ist (von Rheinbaben & Wolff, 2002). Das mittlere HCV-Übertragungsrisiko durch eine NSV
beträgt ca. 0,3-1 % (Henderson et al., 2010, Wicker & Rabenau, 2012, Sarrazin et al., 2010).

HCV-Infektiosität in Flüssigkeiten und auf getrockneten Oberflächen

HCV weist abhängig vom umgebenden Medium (flüssig oder angetrocknet) unterschiedliche Stabilitäten auf. In flüssigen Medien ist HCV bis zu 5 Monate (bei 4° C) stabil (Abb 1). Bei Flüssigkeiten hat zudem das Volumen einen signifikanten Einfluss darauf, wie lange das HC-Virus stabil ist. In kleinen Volumina (ca. 2 µl), wie sie z. B. in Insulinspritzen oder 22-er Kanülen auftreten, ist bei Lagerung bei Raumtemperatur (RT) nach einem Tag noch infektiöses Virus nachweisbar, nach 3 Tagen jedoch nicht mehr. Hingegen ist bei größeren Volumina (ca. 32 µl), wie sie in Tuberkulin-Spritzen vorhanden sind, auch nach über 60 Tagen noch Infektiosität nachweisbar (Paintsil et al., 2010). Auch in getrocknetem Zustand ist HCV relativ lange stabil. Bei Virus-haltigen Serumproben, die auf einer Metalloberfläche eingetrocknet waren, konnte auch nach 5 Tagen noch infektiöses Virus nachgewiesen werden (Doerrbecker et al., 2011).

Stabilität bei unterschiedlichen Temperaturen

Wie bereits erwähnt, wird die Stabilität von HCV auch durch die Umgebungstemperatur beeinflusst. Dabei gilt: je höher die Temperatur desto stärker sinkt die HCV-Infektiosität. Während bei einer Temperatur von 4° C auch nach ca. einer Woche die Infektionsfähigkeit des Virus in flüssigem Medium kaum abnimmt, reduziert sie sich bei RT etwa um Faktor 10, und bei 37° C bereits nach 2 Tagen um mehr als 99 % (Ciesek et al., 2010). Im Gegensatz dazu ist virale RNA - unabhängig von der Infektiosität - bei RT über fast 5 Wochen in nahezu konstanter Menge nachweisbar (Ciesek et al., 2010). Im Zusammenhang zu dem Problem der hohen Übertragungsrate durch intravenösen Drogengebrauch konnten Doerrbecker und Kollegen zeigen, dass bei einer Hitze-Einwirkzeit von ungefähr 95 Sekunden die Infektiosität von HCV auf einem Löffel erst ab einer Temperatur von 65°-70° C signifikant reduziert wird (Doerrbecker et al., 2011).

Abbildung 2: Effekt von verschiedenen Alkoholen auf HCV im sogenannten Carrier-Versuch mit einer Einwirkzeit von einer Minute (modifiziert nach Doerrbecker et al., 2011). TCID50: Tissue Culture Infection Dose 50  (quantitativer Wert für die Infektiosität)
Abbildung 2: Effekt von verschiedenen Alkoholen auf HCV im sogenannten Carrier-Versuch mit einer Einwirkzeit von einer Minute (modifiziert nach Doerrbecker et al., 2011). TCID50: Tissue Culture Infection Dose 50  (quantitativer Wert für die Infektiosität)

Desinfektion

Als RNA-Virus mit einer Hülle mit hohem Lipidgehalt ist HCV sehr empfindlich gegenüber Lösungsmitteln. Desinfektionsmittelwirkstoffe mit Lipidlösungsvermögen sind z. B. Alkohole (u. a.  Ethanol und Propanol), Aldehyde (z. B. Formaldehyd und Glutardialdehyd) sowie Iod- und Chlorverbindungen. Die Substanzen lösen die Lipidhülle auf und verhindern dadurch die Fähigkeit des Virus zur Absorption und Penetration in die Körperzelle (von Rheinbaben & Wolff, 2002). Säuren und Basen sind weniger effektiv, da das Virus eine hohe Stabilität zwischen pH 4 und 9 aufweist (Ciesek et al., 2010).

Im Vergleich der alkoholbasierten Antiseptika Ethanol, 2-Propanol und 1-Propanol erwies sich 1-Propanol am wirksamsten gegenüber dem HCV. In sogenannten Suspensionsversuchen, bei denen 1 Volumenteil Virus mit 9 Volumenteilen Desinfektionsmittel vermischt und nach einer definierten Einwirkzeit die Restinfektiosität ermittelt wird, reduzierte bereits eine 1-minütige Inkubation mit 20 %igem 1-Propanol die Infektiosität um mehr als 99,99 % (Ciesek et al., 2010), während 30 %- bzw. 40 %-iger Ethanol auch nach 5-minütiger Inkubation nur eine unvollständige Reduktion (ca. 99 % bzw. 99,9 %) bewirkte. Etwas andere Ergebnisse zeigen sich auf der Basis praxisrelevanter Testansätze – sogenannter Carrier-Versuche. Hierbei trocknet eine definierte Virusmenge auf einer Stahloberfläche, zu der anschließend für eine festgelegte Zeit Desinfektionsmittel zugesetzt wird. Nachfolgend wird das so behandelte Virus resuspendiert und die Menge an infektiösem Restvirus bestimmt. Diese Vorgehensweise spiegelt wesentlich besser die im Klinikalltag vorgefundenen Verhältnisse wieder, als der bereits erwähnte Suspensionsversuch. Mit 1-Propanol wurde die Menge an infektiösem HCV schon nach 1 Minute Inkubationszeit um mehr als 4 Log10-Stufen reduziert, während hierzu 2-Propanol bzw. Ethanol-Konzentrationen von 50 % bzw. 60 % erforderlich waren (Abbildung 2, Doerbecker et al., 2011).

Kommerzielle Desinfektionsmittel

Bei der viruswirksamen Desinfektion unterscheidet man grundsätzlich solche Desinfektionsmittel, die gegen behüllte Viren (wie z. B. HCV, HBV, HIV) wirksam sind (und damit eine sogenannte „begrenzte Viruzidie“ aufweisen) und solche, die zusätzlich auch gegen unbehüllte Viren (wie z. B. Rhinoviren und HAV) wirken (sogenannte „viruzid wirksame Desinfektionsmittel“). Hierfür kommen in kommerziell erhältlichen Desinfektionsmitteln unterschiedliche Substanzen zur Desinfektion zum Einsatz. Gegenüber HCV wiesen alle getesteten Produkte eine komplette HCV-Inaktivierung auf, sofern sie unverdünnt eingesetzt wurden. Eine Verdünnung von 1:10 bewirkte dagegen, dass nur noch drei von sieben Mitteln das HCV inaktivierten. Diese drei Mittel enthielten als Wirksubstanzen Povidon-Iod, Chlorhexidin-Digluconat bzw. Triclosan (Ciesek et al., 2010).


Literatur beim Verfasser

Meldungen

  • Hepatitis C

    02. September 2024: Nach wie vor hohe Reinfektionsrate in New York City weiter

  • Deutsche Leberstiftung

    30. August 2024: Stipendien für hepatologische Forschungsvernetzung ausgeschrieben. weiter

  • Hepatitis C

    26. Juli 2024: Close the gap - Gut vernetzt Hepatitis C eliminieren weiter

  • 28. Juli ist Welt-Hepatitis-Tag

    23. Juli 2024: Die Deutsche Leberstiftung betont den akuten Handlungsbedarf, informiert über die Bedeutung von Tests und Therapien und berichtet über Erfolge der Screenings auf Hepatitis B und C in Deutschland. weiter

  • Hepatitis E

    23. Juli 2024: Anlässlich des Welt-Hepatitis-Tags am 28. Juli 2024 klärt die Deutsche Leberhilfe über Hepatitis E auf. weiter

  • Deutsche Leberstiftung

    01. Juli 2024: Publikations-Preis 2024 weiter

  • Deutsche Leberstiftung

    17. Juni 2024: Freistellungs-Stipendien 2024 Hepatologie – Bewerbung ab jetzt möglich. weiter

  • Hepatitis E

    15. Mai 2024: Neuer Ansatz verhindert Infektionen weiterer Zellen weiter

  • Fettleber

    08. Mai 2024: Intervallfasten schützt vor Leberentzündung und Leberkrebs weiter

  • Hepatitis C

    02. Mai 2024: Vulnerable Gruppen erreichen: Kreativität trifft Engagement. weiter

  • Virale Hepatitis

    10. April 2024: Gilead spendet 4 Millionen U$ für Elimination der Hepatitis weiter

  • Hepatitis B und D

    10. April 2024: Molekularer Wirkmechanismus von Bulevirtide aufgeklärt weiter

  • Hepatitis C

    27. März 2024: Unerwartete provirale Funktion von GBP1 weiter

  • Früherkennung Leberschäden

    01. März 2024: Das LIVERAIM-Konsortium startet die weltweit größte Studie zur Früherkennung von Leberschäden - mit 100.000 Patient:innen aus sechs europäischen Ländern. weiter

  • Hepatitis E

    02. Februar 2024: Screening im Abwasser möglich weiter

  • Weltkrebstag 4. Februar 2024

    31. Januar 2024: Die Deutsche Leberstiftung informiert zum Weltkrebstag anlässlich steigender Fallzahlen und hoher Mortalitätsraten bei Lebertumoren über deren Prävention, Diagnostik und Therapien. weiter

  • Deutsche Leberstiftung

    30. Januar 2024: Freistellungs-Stipendium für 2024 vergeben an klinisches Projekt zur Autoimmunhepatitis (AIH). weiter

  • Hepatitis E

    25. Januar 2024: Kombinationstherapie bei Resistenz? weiter

  • Pneumokokken

    10. Oktober 2023: Neue STIKO Empfehlung für PCV20 (Apexxnar®) weiter

  • Hepatozelluläres Karzinom

    04. September 2023: Leitlinienempfehlungen aktualisiert weiter

Ältere Meldungen weiter

Diese Webseite bietet Informationen rund um das Thema Lebererkrankungen. Der Schwerpunkt liegt auf den viralen Hepatitiden Hepatitis A, Hepatitis B, Hepatitis C, Hepatitis D und Hepatitis E, Fettleber und Leberkrebs. Es werden Krankheitsbild, Diagnostik und Therapie behandelt. Insbesondere bei der Behandlung der Hepatitis B und Hepatitis C hat sich viel geändert. Hier finden eine Übersicht zu den verfügbaren Medikamenten gegen Hepatitis B und C, Studiendaten, Fachinformation und aktuelle Preise. Die aktuellen Informationen aus Medizin und Industrie richten sich an Betroffene und Ärzte.