Stefan Wirth, Wuppertal
Hepatitis C bei Kindern und Jugendlichen

Vielfach herrscht Unsicherheit, ob eine chronische Hepatitis C bei Kindern und Jugendlichen behandelt werden soll. Da die Infektion ganz überwiegend vertikal vermittelt wird, sind die Betroffenen den Konsequenzen der Viruspersistenz seit frühester Kindheit über Jahrzehnte ausgesetzt. Es ist daher durchaus sinnvoll, möglichst früh den Versuch zu unternehmen, das Virus dauerhaft zu eliminieren. Seit kurzem ist in Europa eine Behandlung mit Peg-Interferon in Kombination mit Ribavirin für Kinder und Jugendliche zugelassen. Eine erfolgreiche Therapie gelingt bei über 90% der Kinder und Jugendlichen, die mit dem Genotyp 2 oder 3 infiziert sind,  bei Patienten mit Genotyp 1 in etwa 50%. Erfreulicherweise werden die Substanzen insbesondere vor der Pubertät meistens mit geringeren Nebenwirkungen toleriert als im Erwachsenenalter.


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Abb. 1: Verteilung der Genotypen bei behandelten Kindern mit chronischer Hepatitis C

Die Prävalenz der Hepatitis C-Virusinfektion bei Kindern und Jugendlichen in Industrieländern liegt zwischen 0,1% und 0,4%. Während der letzten 10 Jahre hat sich die vertikale Infektion als praktisch ausschließlicher Infektionsweg entwickelt. Aus osteuropäischen Ländern können allerdings noch Jugendliche zuziehen, die überwiegend parenteral infiziert wurden. Für Entwicklungsländer gilt dies nicht. Das Risiko einer perinatalen Infektion einer anti-HCV-positiven Mutter mit Nachweis von HCV-RNA liegt bei 1% bis 6% und ist nicht präventabel. Für Deutschland bedeutet dies, dass bei ca. 650.000 Geburten pro Jahr schätzungsweise 50-100 Kinder perinatal infiziert werden, von denen wahrscheinlich 85% einen chronischen Verlauf aufweisen. Die spontane Viruselimination scheint vom Genotyp abzuhängen und liegt bis zum 4. Lebensalter bei höchstens 20%. Danach wird sie deutlich geringer. Am weitesten verbreitet ist Genotyp 1. Abbildung 1 zeigt die Genotypenverteilung aus 5 Therapiestudien mit Peg-Interferon und Ribavirin.

Klinischer Verlauf

Es ist gut dokumentiert, dass die HCV-Infektion bei Kindern klinisch weitgehend asymptomatisch verläuft und histologisch eine meist milde entzündliche Aktivität ohne nennenswerte Fibrose aufweist. Trotzdem gibt es bei 4% bis 6% der Kinder eine fortgeschrittene Lebererkrankung mit progredienter Leberfibrose und Übergang in eine Zirrhose. Große Transplantationszentren berichteten bereits über die Notwendigkeit einer Lebertransplantation bei Jugendlichen aufgrund einer chronischen Hepatitis C.

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In Deutschland werden pro Jahr ca. 50-100 Kinder perinatal infiziert

Therapie

Bei einer chronischen Infektion mit einer nur ungenau prognostizierbaren Langzeitprognose stellt sich immer die Frage nach einer frühzeitigen Behandlung. Es ist nicht zu bezweifeln, dass ein erhöhtes Leberzirrhose- und HCC-Risiko besteht und eine frühe Überwindung der Infektion die Langzeitprognose verbessert. Anfangs basierte die Therapie bei Kindern und Jugendlichen auf einer alpha-Interferon-Monotherapie mit verschiedenen Dosierungsregimen, die eine Eliminationsrate des Hepatitis-C-Virus von 0% bis 76% aufwiesen. Die Studien waren heterogen und die Ergebnisse schwierig zu interpretieren. Mit Übergang der Behandlungsoptionen bei Erwachsenen zu alpha-Interferon in Kombination mit Ribavirin und im weiteren PEG-Interferon mit Ribavirin wurden dann auch Kinder und Jugendliche mit diesen Kombinationen behandelt. Zwischen 2000 und 2005 wurden sechs Studien publiziert, die eine Eliminationsrate zwischen 27% und 64% mit der Kombinationsbehandlung von Alpha-Interferon und Ribavirin zeigten. In den folgenden Jahren, zuletzt 2010, wurden sechs Studien publiziert, die eine Behandlung mit PEG-Interferon in Kombination mit Ribavirin durchführten.

Heilungsraten und Viruskinetik

In fünf Studien wurden die Genotypen separat betrachtet und die Ergebnisse zeigten eine Eliminationsrate von 44% bis 59% bei Individuen, die mit Genotyp 1 infiziert waren (Abb. 2). Die Eliminationsrate bei Kindern mit Genotyp 2 und 3 lag bei über 90%. Drei der Studien verwandten PEG-Interferon alpha-2b und 2 PEG-Interferon alpha-2a jeweils in Kombination mit Ribavirin. Die Höhe der Transaminasen oder die histologischen Befunde bei der initialen Leberbiopsie korrelierten nicht mit dem Ergebnis. Es ist also nicht sinnvoll, die durch die Höhe der Transaminasen reflektierte entzündliche Aktivität als Indikationshilfe für eine Behandlung heran zu ziehen. In einer aktuellen Studie zeigte sich, dass nur 32% der Kinder mit Genotyp 1 und hoher Viruslast (>600.000 U/l) und dagegen 73% mit niedriger Viruslast (<600.000 U/l) erfolgreich behandelt werden konnten (Abb. 3).

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Abb. 2: Studien mit Peg-Interferon und Ribavirin bei Kindern mit chronischer Hepatitis C

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Abb. 3: Ansprechrate bei 107 behandelten Kindern (Peg-Interferon-alpha2b und Ribavirin, aus Wirth et al., J Hepatology, 2010)

Von der FDA und EMA zugelassene Behandlungsregime sind Interferon alpha-2b (3 Mio./m2) und Ribavirin (15 mg/kg/Tag) und PEG-Interferon alpha-2b (60 µg/m2/Woche) in Kombination mit Ribavirin (15 mg/kg/Tag). Für PEG-Interferon alpha-2a liegt derzeit noch keine Zulassung vor; sie wird möglicherweise in der nächsten Zeit erfolgen. Die Behandlungsempfehlungen zur Therapiedauer richten sich im Prinzip nach den Empfehlungen von Erwachsenen. Genotyp 1 und 4 werden 48 Wochen behandelt und Genotyp 2 und 3 über einen Zeitraum von 24 Wochen. Man kann die Therapie nach 4 Monaten abbrechen, wenn die Patienten nicht HCV-RNA-negativ sind. In Zweifelsfällen wird in dieser Altersgruppe allerdings lieber sechs Monate behandelt und dann entschieden.

Verträglichkeit

Die überwiegende Mehrheit der behandelten Kinder und Jugendlichen toleriert PEG-Interferon und Ribavirin gut. Die meisten Nebenwirkungen sind mild oder mäßig ausgeprägt. Aufgrund einer Leukopenie kommt es immer wieder vor, dass eine Dosisreduktion vorgenommen werden muss. In den publizierten Studien war die Abbruchrate sehr gering. Neurologische bzw. psychische Nebenwirkungen treten selten bei Patienten vor der Pubertät auf. Eine eventuelle Schilddrüsendysfunktion und eine vorübergehende Reduktion der Wachstumsgeschwindigkeit müssen beachtet werden. Die Nebenwirkungen sind in aller Regel reversibel.

Fazit

Bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit chronischer Hepatitis C wurden erhebliche Fortschritte erreicht. Patienten mit Genotyp 2 und 3 sollten auf jeden Fall behandelt werden. Patenten mit Genotyp 1 kann die Therapie angeboten werden in der Kenntnis, dass ca. 50% erfolgreich behandelt werden können. Liegt die Viruslast vor Therapiebeginn <600.000 U/l, ist mit einer höheren Ansprechrate zu rechnen. Trotz der ermutigenden Ergebnisse sind zweifellos auch für diese Altersgruppe weitere Therapieoptionen wichtig und notwendig.

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