POLITISCHE AKTIVITÄTEN DER DEUTSCHEN LEBERHILFE E.V.:
Was ist 2008 passiert?
Die Deutsche Leberhilfe e.V. wurde 1987 von Betroffenen gegründet und ist heute ein bundesweit tätiger Verein mit 2.000 Mitgliedern. Die Kernaufgabe ist die Beratung und die Betreuung von Patienten, die sich an den Verein wenden.
Um aber die Situation von Betroffenen nachhaltig zu verbessern, ist es notwendig Einfluss auf die Gesamtsituation zu nehmen. Dies betrifft u.a. gesundheitliche Institutionen wie z.B. das Bundesgesundheitsministerium, Krankenkassen oder den Gemeinsamen Bundesausschuss. Nach jahrelangen Vorbereitungen, mit politischen Institutionen Kontakt aufzunehmen und in einen langfristigen Dialog zu treten, hat sich im Jahr 2008 politisch einiges bewegt. Im Folgenden geben wir einen kleinen Überblick über verschiedene Aktivitäten in diesem Jahr.
Prof. Süßmuth, Schirmherrin der Deutschen Leberhilfe e.V., stellte auf der Frankfurter Pressekonferenz die 12 Forderungen vor und diskutierte diese mit den Referenten und der Presse
WELT-HEPATITIS-TAG
Noch bis 2007 hatte der Welt-Hepatitis-Tag am 1. Oktober stattgefunden. Doch leider konnte der Tag nicht überall auf der Welt zeitgleich begangen werden, da vor allem in Indien und Südamerika bereits andere Aktionstage festgelegt waren. Deshalb trafen sich im Frühjahr 2007 Patientenvertreter der WHO-Weltregionen und beschlossen gemeinsam ein neues Datum: den 19. Mai. Um den Tag weltweit zu koordinieren, wurde im Herbst 2007 in Boston die World Hepatitis Alliance (Welt-Hepatitis-Allianz) gegründet.
Am 19. Mai 2008 war es dann soweit: Der erste tatsächlich weltweite Welt-Hepatitis-Tag wurde auf allen Kontinenten der Welt gleichzeitig begangen. Das Motto war "Bin ich die Nummer 12?" Einer von zwölf Erdenbürgern ist Träger einer chronischen Hepatitis B oder C. Zum Welt-Hepatitis-Tag wurde in Deutschland eine eigene Webseite unter www.welthepatitistag.info geschaltet.
Anlässlich des Welt-Hepatitis-Tages wurden zwölf Forderungen ausgearbeitet, um die Virushepatitis weltweit zu bekämpfen und die Situation von Patienten bis zum Jahr 2012 zu verbessern. Sechs dieser Forderungen sind international identisch, die anderen sechs sind jeweils auf die Situation im Land zugeschnitten.
Übergabe der 12 Forderungen an Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums. Von li nach re: PD Dr. Lars Schaade, Leiter des Referats 321, Ministerialdirigent Franz J. Bindert, Leiter der Unterabteilung Infektions- und Gesundheitsschutz, Dr. Ingo Michels, Leiter der Geschäftsstelle der Beauftragten der Bundesregierung, Achim Kautz, Geschäftsführer der Deutschen Leberhilfe e. V. und Nadine Piorkowsky, Präsidentin der European Liver Patients Association (ELPA)
DIE 12 FORDERUNGEN
Global:
1. Hepatitis B und C müssen öffentlich als dringendes Gesundheitsproblem anerkannt werden.
2. Eine nationale Regierungsstrategie muss her, und es muss eine Person ernannt werden, welche diese leitet.
3. Der Weg eines Patienten von Screening, über Diagnose, und Überweisung bis hin zur Behandlung muss klar vorgezeichnet sein.
4. Klare, in Zahlen nachvollziehbare Vorgaben, wie die Verbreitung der Virushepatitis und die Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren ist.
5. Klare, in Zahlen nachvollziehbare Vorgaben, wie die Zahl der Todesfälle vermindert werden soll.
6. Klare, in Zahlen nachvollziehbare Vorgaben für besseres Screening.
National:
7. Öffentlichkeit und Allgemeinärzte müssen zum Thema "Hepatitis" informiert werden, um der Stigmatisierung entgegenzuwirken.
8. Der Leberwert GPT sollte Teil des Check-Up 35 sein.
9. Screening auf Hepatitis B/C bei Patienten mit erhöhten Leberwerten oder Risikofaktoren (z.B. Bluttransfusion vor 1991, Nierendialyse, i.v. Drogengebrauch in der Vergangenheit, Endoskopie, Tattoos und Piercings)
10. Kostenlose und anonyme Testmöglichkeiten zur Verfügung stellen.
11. Vereinheitlichung der Statistiken über Neuerkrankungen in Deutschland.
12. Selbstverpflichtung, beim Beschluss und der Anwendung des Hepatitis-Programms mit der Selbsthilfe zusammenzuarbeiten.
TREFFEN MIT POLITISCHEN INSTITUTIONEN
Im Anschluss an den Welt-Hepatitis-Tag trafen Vertreter der Leberhilfe und der europäischen Patientenorganisation ELPA mit dem Bundesministerium für Gesundheit zusammen und überreichten die zwölf Forderungen. In einem ersten Gespräch äußerten die Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums, dass derzeit keinerlei Gelder für Aufklärung bzw. besseres Screening vorhanden seien. Falls eine entsprechende EU-Resolution bestünde, würde man sich dieser jedoch nicht entgegenstellen. Derzeit ist auf EU-Ebene eine solche Resolution in Arbeit. Hervorzuheben ist, dass die Resolution eng von Patientenorganisationen begleitet wird.
Über das Bundesgesundheitsministerium wurde auch ein Kontakt zur Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vermittelt. Am 13. November fanden auch hier Gespräche statt, welche Erfahrung mit der Aufklärung von Risikogruppen besteht. Anwesend waren die Leberhilfe, die Leberstiftung sowie eine Vertreterin der ELPA. Auch von Seiten der BZgA wurde gesagt, dass keine Gelder für eine Unterstützung bzw. Durchführung von Aufklärungskampagnen vorhanden seien; soweit aber Zielgruppen und Kommunikationsinhalte übereinstimmten, könnte sich die BZgA eine Kooperation vorstellen.
In den nächsten Wochen und Monaten stehen noch viele weitere Gespräche mit gesundheitspolitischen Institutionen an. So wird es u.a. Gespräche mit den gesundheitspolitischen Sprechern der einzelnen Fraktionen im Bundestag, sowie Gespräche mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) und diversen Krankenkassen geben.
9. DEUTSCHER LEBERTAG
Die Deutsche Leberhilfe e.V. und die Deutsche Leberstiftung konzentrieren sich derzeit vor allem auf die Forderungen 8 und 9: Die Aufnahme des GPT-Wertes in den Check-Up 35 sowie das Screening von Risikogruppen. Schätzungsweise 800.000 bis eine Million Menschen sind in Deutschland mit einer Hepatitis B oder C infiziert, diagnostiziert sind derzeit aber nur wenige. Da die Leber kein Schmerzempfinden hat und eindeutige Symptome wie Gelbfärbung und Wasserbauch oft erst im Spätstadium einer Leberkrankheit auftreten, bleiben viele Erkrankungen lange Zeit unentdeckt. Leberkrebs als Folge unbehandelter Leberkrankheiten ist in Deutschland zwar nicht der häufigste Krebs, aber hat die stärkste Zunahmedynamik.
In diesem Sinne fand am 20. November 2008 auch der 9. Deutsche Lebertag unter dem Motto "Check-Up für die Leber" statt. Erneut forderten die Deutsche Leberhilfe e.V., die Deutsche Leberstiftung sowie die GastroLiga, dass der GPT-Wert in den Check-Up 35 aufgenommen wird. Ein erhöhter GPT-Wert kann einen ersten Hinweis darauf liefern, dass mit der Leber etwas nicht in Ordnung ist. Auch wurde betont, wie wichtig ein Screening in Risikogruppen ist - und das nicht nur aus medizinischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen. Eine jüngst veröffentlichte Studie von Rychlik et al. zeigt, dass allein HCV zu 91% unterversorgt ist und die Behandlung von allen HCV-Patienten kostenneutral im Gegensatz zu Spätfolgenkosten ist.
INTERNATIONAL
Die Deutsche Leberhilfe e.V. gehört zu den Mitbegründern der Europäischen Leberorganisation ELPA (European Liver Patients Association) vor vier Jahren und war auch beim Aufbau des Dachverbandes World Hepatitis Alliance beratend tätig. Anfang November 2008 wurde Achim Kautz, Geschäftsführer der Deutschen Leberhilfe e.V., zudem in den Vorstand der World Hepatitis Alliance gewählt und ist dort als Vertreter für die WHO-Region Europa zuständig.
Diese Konstellation ermöglicht es der Deutschen Leberhilfe e.V., auf zwei internationalen Ebenen Einfluss auf nationale Begebenheiten zu nehmen. Zum einen ist der Verein als Mitgründer der ELPA in der Lage, EU-Entscheidungen mit zu beeinflussen und somit direkte Vorgaben für die BRD zu formulieren und zum anderen ist durch die Wahl in der Vorstand der WHA ein enger Kontakt zur WHO-Europa gegeben. Die WHO-Europa hat wiederum wesentlich Einfluss auf Entscheidungen innerhalb der Gesundheitsgremien der EU.
FAZIT
2008 war bis jetzt das politisch ereignisreichste Jahr für die Deutsche Leberhilfe e.V. Nach jahrelanger Vorarbeit konnten nun erstmals direkte Gespräche mit Institutionen wie dem Bundesgesundheitsministerium, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und anderen Institutionen geführt werden. Es bleibt zu hoffen, dass den Gesprächen in den kommenden Jahren auch Taten folgen. Hierfür ist die Arbeit der Leberhilfe über die Landesgrenzen hinaus zum unverzichtbaren Bestandteil geworden. Inzwischen haben sich Patientengruppen aus der ganzen Welt vernetzt; diese Bewegung ist auch politischen Institutionen wie dem EU-Parlament nicht entgangen, die bereits 2007 eine Schriftliche Erklärung zur Hepatitis C annahmen. Die Schriftliche Erklärung ist bislang nur eine Absichtserklärung. Ob das EU-Parlament überzeugt werden kann, die Schriftliche Erklärung in eine verbindliche Resolution umzuwandeln, bleibt abzuwarten; eine Resolution würde die EU-Staaten verpflichten, sich stärker - auch finanziell - für die Bekämpfung der Hepatitis B und C einzusetzen.
Hier ist es wichtig, dass alle Beteiligten im Bereich der Hepatologie - Leberstiftung, Leberhilfe, der Bundesverband der Gastroenterologen, die GastroLiga und die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten - an einem Strang ziehen, um die politischen Forderungen durchzusetzen.
Deutsche Leberhilfe e.V. · Achim Kautz · Luxemburger Str. 150 ·
50937 Köln
Tel. 0 221-28 299 80 · Fax 0 221-28 299 81
E-Mail: info@leberhilfe.org · www.leberhilfe.org