HERMANN E. WASMUTH UND CHRISTIAN TRAUTWEIN, AACHEN
Schützt Kaffee die Leber?
Eine Bestandsaufnahme

Aus epidemiologischer Sicht gibt es mittlerweile eine gute Evidenz für einen protektiven Effekt von Kaffee gegen chronische Lebererkrankungen. Ob es sich hierbei um eine kausale Beziehung oder lediglich eine Assoziation handelt, lässt sich aus solchen Studien nicht ableiten. Erste Daten aus der Grundlagenforschung belegen jedoch einen direkten Einfluss von Kaffein auf wichtige molekulare Mediatoren der Leberfibrose.

"Trinken Sie genug Kaffee?" Haben Sie diese Frage Ihren Patienten mit Lebererkrankungen schon einmal gestellt? Falls nicht, wie sicherlich die meisten hepatologisch tätigen Ärzte, so könnte sich diese Frage in Zukunft lohnen und eventuell sogar zu einer Empfehlung für die Patienten werden. Denn in den letzten Jahren haben sich die Hinweise verdichtet, dass Kaffee einen protektiven Effekt auf die Entwicklung einer chronischen Lebererkrankung und sogar gegen ein hepatozellulären Karzinoms (HCC) hat.

EPIDEMIOLOGISCHE STUDIEN

Abb. 1: Deutliche Reduktion des Risikos durch Kaffee bei Menschen mit erhöhtem Risiko für Lebererkrankungen
Abb. 1: Deutliche Reduktion des Risikos durch Kaffee bei Menschen mit erhöhtem Risiko für Lebererkrankungen

Die Daten für diese Hypothese stammen im Wesentlichen aus epidemiologischen Studien. Die größte dieser Studien wurde im Rahmen des First National Health and Nutrition Examination Surveys (NHANES I) durchgeführt. Hierbei wurden die Probanden nach ihrem täglichen Kaffeekonsum gefragt und dieser mit der Entwicklung einer Lebererkrankung sowie dem Tod an einer Lebererkrankung aufgrund von Krankenhausaufzeichnungen bis zu 20 Jahre nach der initialen Erhebung korreliert. Dabei zeigte sich erstmals eine klare inverse Beziehung zwischen der Menge an täglich konsumiertem Kaffee und dem Auftreten einer chronischen Lebererkrankung. Personen mit einer Aufnahme von mehr als zwei Tassen pro Tag hatten statistisch nur ein halb so hohes Risiko, an einer chronischen Lebererkrankung zu leiden verglichen mit Personen, die weniger als eine Tasse Kaffee pro Tag konsumierten.1Interessanterweise zeigte sich dieser protektive Kaffee-Effekt aber nur bei Personen, bei denen tatsächlich ein relevantes Risiko für eine Lebererkrankung bestand (hoher Alkoholkonsum, Transferrinsättigung >50%, Diabetes mellitus, BMI >30 kg/m2). Nur in dieser Gruppe konnte eine deutliche Risikoreduktion nachgewiesen werden (Abb. 1). In einer weiteren Untersuchung korrelierte ein hoher Kaffeekonsum ebenfalls mit einer geringen Wahrscheinlichkeit von erhöhten Transaminasen. Ferner wurde eine direkte Assoziation mit dem Kaffein, dem stimulierenden Inhaltsstoff von Kaffee, nachgewiesen.2

LINEARE KORRELATION

Diese ersten epidemiologischen Studien konnten in den folgenden Jahren mehrfach reproduziert werden. Mehrere Untersuchungen fanden eine starke inverse Assoziation des Kaffeekonsums mit dem Auftreten eines hepatozellulären Karzinoms.3 Die meisten dieser Studien wurden aus Japan durchgeführt.

EUROPÄISCHE DATEN

Abb. 2: Inverse Korrelation der Kaffee-Menge und hepatozellulärem Karzinom
Abb. 2: Inverse Korrelation der Kaffee-Menge und hepatozellulärem Karzinom

Der potenziell protektive Effekt von Kaffee auf die HCC-Entstehung wurde jedoch aktuell auch in einer europäischen Studie aus Finnland verifiziert.4 Hier zeigte sich bei über 60.000 Studienprobanden sogar eine negative lineare Korrelation zwischen der aufgenommenen Menge an Kaffee und der Entwicklung eines HCC (Abb. 2). In dieser Studie wurde auch der statistische Effekt einer Erhöhung der gamma-GT (GGT) als etablierter Parameter der Lebersteatose und die hiermit einhergehende Schädigung in die Risikokalkulation einbezogen. Personen mit erhöhter GGT und niedrigem Kaffeekonsum (null bis eine Tasse täglich) hatten ein neunfach höheres Risiko ein hepatozelluläres Karzinom zu entwickeln im Vergleich zu Personen mit normaler GGT und hohem Kaffeekonsum. Auf der anderen Seite hatten Personen mit erhöhter GGT und hohem Kaffeekonsum (mehr als sechs Tassen täglich) nur ein sehr gering erhöhtes Risiko, ein HCC zu entwickeln (relatives Risiko 1.5). Dies wurde als Hinweis gedeutet, dass Kaffee auch bei etabliertem Leberschaden in der Lage ist, ein Fortschreiten der Erkrankung bis hin zum HCC zu verhindern.

NUR ANDERER LEBENSSTIL?

Auffällig ist, dass bisher alle publizierten Studien und Metanalysen3, 5 zu diesem Thema zu gleichen oder ähnlichen Resultaten kommen. Man kann also tatsächlich von einer gesicherten statistischen Assoziation zwischen hohem Kaffeekonsum und dem geringen Auftreten von chronischen Leberschäden und der Entwicklung eines Leberzellkarzinoms ausgehen. Dennoch entspricht eine statistische Korrelation natürlich keinem kausalen Zusammenhang und der hohe Kaffeekonsum könnte theoretisch nur Ausdruck eines anderen (Lebensstil-)Faktors sein, der einen positiven Einfluss auf die Leberpathologie hat.

BIOLOGISCHE ERKLÄRUNG

Abb. 3: Kaffee führt in vitro zu einer Downregulation der Faktoren TGF-b und CTGF, die die Fibrogene in der Leber fördert
Abb. 3: Kaffee führt in vitro zu einer Downregulation der Faktoren TGF-β und CTGF, die die Fibrogene in der Leber fördert

Aktuell wurden jedoch erste Ergebnisse publiziert, die den statistischen Zusammenhang nun auch biologisch plausibler erscheinen lassen. Bereits 1990 konnte in ersten Experimenten ein positiver Einfluss von Kaffee und einiger seiner Inhaltsstoffe auf die Leberkarzinogenese gezeigt werden.6 Diese frühen Ergebnisse wurden aktuell durch in vitro-Versuche an isolierten Hepatozyten bestätigt und erweitert.7 Das im Kaffee enthaltene Kaffein wird in der Leber in Paraxanthin metablisiert, so dass Kaffein und seine Metaboliten besonders in den Hepatozyten eine hohe Konzentration erreichen. In der Arbeit der Gruppe um Gressner wurde der Einfluss von Kaffein in isolierten Hepatozyten der Ratte näher charakterisiert. Bereits in Vorarbeiten beschrieb die Gruppe die Bedeutung von "connective tissue growth factor" (CTGF) für die Fibrogenese, dessen Wirkung insbesondere durch eine Interaktion mit TGF-β, einem starken profibrogenen Zytokin, vermittelt wird. Es ist daher interessant, dass Kaffein in vitro zu einer starken Herunterregulierung von TGF-β induziertem CTGF in Hepatozyten führt (Abb. 3). Dieser Effekt wird über die Generierung von zyklischem AMP durch Kaffein vermittelt, wie bereits in alveolaren Makrophagen gezeigt werden konnte.8 Der protektive Effekt von Kaffein scheint also unabhängig vom Zelltyp zu sein, wohl aber in der Leber aufgrund der hohen lokalen Konzentration besonders ausgeprägt. Die Arbeit von Gressner und Mitarbeitern zeigt ferner, dass Kaffein auch zu einer erhöhten Expression des Transkriptionsfaktors PPARγ führt.7 Agonisten dieses Transkriptionsfaktors, die Thiazolidindione, wurden bereits bei chronischen Fettlebererkrankungen mit Erfolg eingesetzt.9, 10 Es ist daher vorstellbar, dass der Effekt von Kaffein durch Gabe solcher Substanzen noch potenziert werden könnte. Wichtig in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass Kaffee eine Vielzahl von anti-oxidativen Sub-stanzen und Ölen (Kahweol und Cafestol) enthält, denen positive Wirkungen auf den Glucosestoffwechsel unterstellt werden und daher ebenfalls positiv auf Leberschäden wirken könnten.11

FAZIT

Noch ist es zu früh, Patienten mit Lebererkrankungen zu einem hohen Kaffeekonsum zu raten. Trinkt der Patient jedoch bereits von sich aus viel Kaffee, gibt es aus hepatologischer Sicht aber auch keinen Grund, diesen einzuschränken.

Literatur:

1. Ruhl CE, Everhart JE. Coffee and tea consumption are associated with a lower incidence of chronic liver disease in the United States. Gastroenterology 2005;129:1928-1936.

2. Ruhl CE, Everhart JE. Coffee and caffeine consumption reduce the risk of elevated serum alanine aminotransferase activity in the United States. Gastroenterology 2005;128:24-32.

3. Larsson SC, Wolk A. Coffee consumption and risk of liver cancer: a meta-analysis. Gastroenterology 2007;132:1740-1745.

4. Hu G, Tuomilehto J, Pukkala E, Hakulinen T, Antikainen R, Vartiainen E, Jousilahti P. Joint effects of coffee consumption and serum gamma-glutamyltransferase on the risk of liver cancer. Hepatology 2008;48:129-136.

5. Bravi F, Bosetti C, Tavani A, Bagnardi V, Gallus S, Negri E, Franceschi S, La Vecchia C. Coffee drinking and hepatocellular carcinoma risk: a meta-analysis. Hepatology 2007;46:430-435.

6. Tanaka T, Nishikawa A, Shima H, Sugie S, Shinoda T, Yoshimi N, Iwata H, Mori H. Inhibitory effects of chlorogenic acid, reserpine, polyprenoic acid (E-5166), or coffee on hepatocarcinogenesis in rats and hamsters. Basic Life Sci 1990;52:429-440.

7. Gressner OA, Lahme B, Rehbein K, Siluschek M, Weiskirchen R, Gressner AM. Pharmacological application of caffeine inhibits TGF-beta-stimulated connective tissue growth factor expression in hepatocytes via PPARgamma and SMAD2/3-dependent pathways. J Hepatol 2008.

8. Jafari M, Rabbani A. Studies on the mechanism of caffeine action in alveolar macrophages: caffeine elevates cyclic adenosine monophosphate level and prostaglandin synthesis. Metabolism 2004;53:687-692.

9. Belfort R, Harrison SA, Brown K, Darland C, Finch J, Hardies J, Balas B, Gastaldelli A, Tio F, Pulcini J, Berria R, Ma JZ, Dwivedi S, Havranek R, Fincke C, DeFronzo R, Bannayan GA, Schenker S, Cusi K. A placebo-controlled trial of pioglitazone in subjects with nonalcoholic steatohepatitis. N Engl J Med 2006;355:2297-2307.

10. Ratziu V, Giral P, Jacqueminet S, Charlotte F, Hartemann-Heurtier A, Serfaty L, Podevin P, Lacorte JM, Bernhardt C, Bruckert E, Grimaldi A, Poynard T. Rosiglitazone for nonalcoholic steatohepatitis: one-year results of the randomized placebo-controlled Fatty Liver Improvement with Rosiglitazone Therapy (FLIRT) Trial. Gastroenterology 2008;135:100-110.

11. La Vecchia C. Cancer and liver cancer prevention: is it a fact or just a potential? Hepatology 2008;48:7-9.

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