Prof. Dr. Jörg Friedrich Schlaak, Essen
Die Leberlebendspende aus der Sicht des Internisten

Die Leberlebendspende hat sich als Alternative zur postmortalen Leberspende etabliert. In erfahrenen Zentren kann das Verfahren mit einer akzeptablen Morbidität und einer sehr geringen Mortalität für den Spender durchgeführt werden. Voraussetzung hierfür ist eine sehr kritische und gründliche Evaluation des Spenders.

Der zunehmende Erfolg der Lebertransplantation (LTX) als Routineverfahren zur Behandlung terminaler Lebererkrankungen hat zu einer breiten Akzeptanz dieser Methode geführt und damit zu einem wachsenden Bedarf an Spenderorganen. Die Gesamtzahl gespendeter Lebern in Deutschland ist in den letzten Jahren auch kontinuierlich gestiegen. Trotzdem reicht die Zahl der verfügbaren Organe bei weitem nicht aus, um den wachsenden Bedarf zu decken (Abb. 1).


Abb. 1: Deutschland. Neuanmeldungen und Lebertransplantationen


Abb. 2: Deutschland. Anteil der Teilleber-Lebendspenden an der Lebertransplantation


Abb. 3: CTS-Studie (Deutschland). Funktionsraten* nach Lebertransplantation

1996 konnten noch fast 86% der Patienten mit einem Leichenorgan versorgt werden. In den letzten Jahren ist dieser Prozentsatz aber deutlich zurückgegangen, so dass die Sterberate der Patienten auf der Warteliste entsprechend zugenommen hat.

Die Verwendung von freiwillig gespendeten Teillebern von lebenden, dem Patienten emotional nahe stehenden Menschen ist ein Weg, dem zunehmenden Bedarf an Lebertransplantationen zu begegnen. Die häufigere Anwendung der Leberlebendspende (LDLT) ist ein Grund, dass die Sterberate auf der Warteliste nicht noch höher liegt. Der Anteil der LDLT steigt seit den 90er Jahren. 1996 stammten nur 1,4% aller Transplantate von lebenden Spendern. 2001 waren es bereits 12,5% und aktuell sind es ca. 8% (Abb. 2).

GUTE LEBERFUNKTION

Das Verfahren der LDLT wurde aus den Operationstechniken der größenreduzierten LTX sowie der Splitlebertransplantation mit postmortalen Organen entwickelt.

Aufgrund der guten Ergebnisse der LDLT von Erwachsenen auf Kinder sowie großer Erfahrungen in der Technik der Splitlebertransplantation wurde es zur Spende zwischen Erwachsenen weiterentwickelt. Seit 1989 sind mehr als 12.000 LDLTs weltweit durchgeführt worden, wobei die funktionellen Ergebnisse auf Grund der Vorteile der Methode denen der postmortalen Leberspende (DDLT) mindestens gleichwertig sind (Abb. 3).

VOR- UND NACHTEILE DER LEBER-LEBENDSPENDE

Die LDLT hat prinzipiell mehrere Vorteile:

1. Die Transplantation wird zu einem elektiven Zeitpunkt unter optimalen Bedingungen durchgeführt (d.h. optimales Timing; geringe Wartezeit).

2. Das Spendeorgan hat eine ausgezeichnete Qualität.

3. Kurze Ischämiezeit (und damit kein relevanter Konservierungsschaden).

4. Möglichkeit der LTX für Patienten, die sonst unter den aktuellen Bedingungen kein Organ bekämen (MELD, extended indication).

Hauptnachteil dieses Verfahrens ist das Risiko einer "doppelten" Morbidität und Mortalität von Spender und Empfänger. Daher wurden die Prinzipien, die bei einer LDLT eingehalten werden sollten, im Jahre 2005 im Rahmen einer Konsensuskonferenz in Vancouver wie folgt definiert:

1. Eine LDLT sollte nur dann durchgeführt werden, wenn das Risiko für den Spender durch das zu erwartende Ergebnis beim Empfänger gerechtfertigt ist.

2. Patienten- und Graftüberleben sollten für die jeweilige Indikation nicht schlechter sein als bei einer Kadaverspende.

3. Für LDLT und DDLT sollten die gleichen Indikationen gelten.

4. Die LDLT sollte für den Empfänger einen klaren Vorteil zu einer DDLT bieten.

SPENDERAUSWAHL

Die Person, die sich als Lebendorganspender zur Verfügung stellt, sollte ein(e) Erwachsene(r) sein, der/die sich hierzu ohne jeden Zwang gleich welcher Natur bereit erklärt. Er/sie sollte medizinisch und psychosozial für die Organspende geeignet sowie komplett über Chancen, Risiken und Alternativen des Verfahrens aufgeklärt sein.

Die Selektionskriterien sind weltweit hauptsächlich wegen verschiedener politischer und kultureller Regeln unterschiedlich. In Deutschland sollten Spender in der Regel zwischen 18 und 55 Jahre alt sein. Für ältere Spender ist jedoch das absolute Alter weniger wichtig als ihr biologisches Alter, so dass hier auch im Einzelfall eine Spende möglich ist. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass ältere Spender im Allgemeinen ein höheres Risiko unerkannter medizinischer Probleme haben.

Der Personenkreis, der für eine Lebendspende in Betracht kommt, ist regional ebenfalls unterschiedlich definiert. So muss in Deutschland mindestens eine Blutsverwandtschaft dritten Grades oder eine intensive emotionale Beziehung bestehen, während in Großbritannien nur verwandte Personen spenden dürfen. In den Vereinigten Staaten dürfen hingegen neben Verwandten auch Freunde, Kollegen und sogar dem Empfänger völlig unbekannte Personen spenden.

SPENDER-EVALUATION

Tab. 1: Spender-Evaluation
Schritt 1: Klinische Untersuchung: Anamnese und körperliche Untersuchung
Labor: Blutgruppe, Blutbild, klin. Chemie,
Gerinnung, CRP, Schwangerschaftstest
Serologie: Hepatitis A, B, C; HIV, CMV, HSV, EBV
Erste Einwilligung
Schritt 2: Bildgebung: „All-ln-one” CT
Leberbiopsie
Erste psychologische Evaluation
Schritt 3: EKG, Röntgen Thorax, Lungenfunktionsprüfung, Echokardiographie, Stresstest
Labor: Schilddrüsenfunktiontests (TSH, T3, T4), Immunoglobuline IgA, IgG, IgM, Eisen, Transferrin, Ferritin, a-1-Antitrypsin, Coeruloplasmin, Tumormarker (CEA, AFP, Ca l9- 9), Faktor V, VII und VIII, Protein C und S, Urinsediment
Erste autologe Blutspende
Schritt 4: Zweite psychologische Evaluation
(Donor und Empfänger zusammen)
Hepatologisches Konsil
Zweite autologe Blutspende
Schritt 5: HLA Typing, Cross-match
Anästhesiologisches Konsil
Ethikkommission Finale Einwilligung


Tab. 2: Kontraindikationen für die Leberlebendspende
Alter >60 (biolog. Alter?)
Body-Mass-Index >30
Alkohol Abhängigkeit
Schwangerschaft +
Kardiovaskuläre Erkrankungen Koronare Herzerkrankung, arterieller Hypertonus, Herzinsuffizienz, Klappenfehler
Lungenerkrankungen COPD, pulmonale Hypertonie
Koagulopathien Protein S oder C Mangel, Factor V Leiden, APC Resistenz, Hämophilie
Maligne Erkrankungen Alle
Infektionen HBV, HCV, EBV, CMV, HSV, HIV, jede aktive Infektion
Neurologische Erkrankungen Epilepsie, demyelinisierende Erkrankungen
Gastrointestinale Erkrankungen CED, Pankreatitis
Hepatologische Erkrankungen NAFLD, Hepatitis, Fibrose, Metabolische Lebererkrankungen, Z.n. Hepatektomie, gutartige Lebertumoren, Cholelithiasis
Nierenerkrankungen Niereninsuffizienz
Endokrine Erkrankungen Diabetes mellitus Typ I, Hypo- oder Hyperthyreose, M. Conn, M. Addison
Immunologische Erkrankungen Autoimmune Systemerkrankungen

Die umfangreiche Evaluation des Spenders sollte unter standardisierten Bedingungen erfolgen, um so mit größtmöglicher Sicherheit dessen postoperatives Risiko von Morbidität und Mortalität zu minimieren (Tab. 1). Hierbei sollten zunächst die Untersuchungen durchgeführt werden, die eine Nichteignung des potentiellen Spenders am ehesten identifizieren können.

Während chronische Erkrankungen des Spenders wie Diabetes, koronare Herzerkrankung, Infektionen oder Malignome leicht nachvollziehbare Kontraindikationen für eine Lebendspende darstellen, zeigt sich zunehmend, dass ein hoher Body-Mass-Index (>30) und eine Steatose der Leber (>10%) mit einem ungünstigeren Outcome von Spender und Empfänger assoziiert sind, so dass diese Personen als Spender abgelehnt werden sollten (Tab. 2).

Die psychologische Evaluation des Spenders muss klar ergeben, dass dieser ohne jeden Zwang handelt. Im Einzelnen kann dieser durch (i) sozialen Druck durch den Empfänger oder die Familie, (ii) wirtschaftlichen Druck, (iii) die Dringlichkeit des Eingriffs (Patient verstirbt sonst), (iv) kulturelle Faktoren oder (v) psychopathologische Faktoren bedingt sein. Nach Ende der Evaluation des Spenders sollte dieser vor der geplanten Operation genügend Zeit bekommen, seine Entscheidung zu überdenken und es wird ihm freigestellt, jederzeit von der Operation ohne Angabe von Gründen zurückzutreten.

SPENDERMORBIDITÄT UND -MORTALITÄT

Die wichtigsten ethischen Bedenken im Bezug auf die Leberlebendspende bestehen bzgl. der Risiken für den Spender. Die große Mehrzahl aller LDLTs verläuft unkompliziert und hat für den Spender keine dauerhaften negativen Konsequenzen. Das Risiko für Mortalität und Morbidität beträgt weltweit bei Rechtshepatektomie für den Donor im Mittel etwa 0,4% bzw. 35%, wobei die Zahlen für die einzelnen Zentren stark schwanken. So werden Morbiditätsraten von 0% bis 67% angegeben. Als postoperative Komplikationen können u.a. biliäre Probleme, Wundinfektionen, Hernien, Pleuraergüsse und -embolien, Blutungen, psychosoziale Probleme, Smallfor Size Syndrom sowie Leberinsuffizienz und die hieraus resultierende Notwendigkeit einer Lebertransplantation auftreten. Die Häufigkeit dieser Komplikationen ist allerdings mit zunehmender Erfahrung des Transplantationszentrums in der Regel deutlich rückläufig. Bzgl. des psychosozialen Outcomes der Spender hat sich gezeigt, dass diese ihre Entscheidung ganz überwiegend nicht bereuen und anschließend meist ein deutlich gesteigertes Selbstbewusstsein und -achtung zeigen.

Die Spenderlebern regenerieren im Mittel auf etwa 89% ihres ursprünglichen Volumens in den ersten Wochen nach Resektion. Die funktionelle Normalisierung der Leberfunktion korreliert jedoch nicht streng mit deren Volumenzunahme. Während sich die Transaminasen in der Regel innerhalb von 10 Tagen nach Operation normalisieren, benötigen Funktionsparameter wie Cholinesterase oder Albumin hierfür bis zu 90 Tage.

Prof. Dr. med. Jörg Friedrich Schlaak
Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
des Universitätsklinikum Essens
Hufelandstraße 55 · 45122 Essen
E-Mail: joerg.schlaak@uni-due.de

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