Interview mit Prof. Christoph Sarrazin
Wandel in der Hepatitis-C-Therapie

18. September 2017

Heute kann man Patienten ohne Leberschaden mit 8 Wochen Therapie heilen.

Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin„Patienten ändern sich – wir uns auch.“ lautete das Motto der diesjährigen Jahrestagung der DGVS (Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V.). Dieses Motto passt auch zu den neuen Trends bei der Hepatitis C. Das Patientenprofil ist im Wandel und es gibt auch neue pagenotypische Therapieregime. Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) beispielsweise ist zugelassen zur 8-Wochen-Therapie bei therapienaiven Hepatitis-C-Patienten ohne Zirrhose für alle Genotypen (GT1-6).

Interview mit Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin, Chefarzt Medizinische Klinik II am St. Josefs-Hospital und Leiter des Leberzentrums Wiesbaden:

Neue Therapieregime, neue Chancen

Frage: Bei der Einführung der direct-acting antivirals (DAAs) als Interferon-freie Therapie der Hepatitis C im Jahr 2014, standen vor allem Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung im Vordergrund. Welche Patienten bilden aktuell die größte Behandlungsgruppe in Deutschland?

Prof. Sarrazin: Nachdem, durch die Interferon-freien Kombinationstherapien, im ersten Schritt Patienten mit Leberzirrhose, insbesondere auch fortgeschrittener Zirrhose erfolgreich therapiert werden konnten, liegt nun der Fokus verstärkt auf Patienten ohne Leberzirrhose und anderen Begleiterkrankungen, oder Patienten, die erst im Verlauf neu diagnostiziert werden. Diese Patienten fühlen sich durch die Erkrankung häufig kaum beeinträchtigt und möchten somit auch keine belastenden Therapien auf sich nehmen. Daher ist es essentiell, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es mittlerweile einfache, effektive Hepatitis-C-Therapien mit fast keinen Nebenwirkungen gibt.

Sie haben das deutsche Studienprogramm des neuen Therapieregimes Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret) von AbbVie während der Entwicklung in Phase 2 und 3 begleitet. Was waren für Sie die bemerkenswertesten Ergebnisse im Rahmen der Studien?

Prof. Sarrazin: Das Programm war darauf ausgelegt, sehr gut verträgliche Substanzen mit hoher Effektivität zu entwickeln, die gegen alle HCV-Genotypen gleichermaßen aktiv sind, nur einmal am Tag gegeben werden müssen und im Gegensatz zu Regimen, die auf dem nukleosidischen Polymeraseinhibitor Sofosbuvir basieren, auch bei Patienten mit Niereninsuffizienz oder unter Dialysetherapie eingesetzt werden können. Diese Ziele konnten alle erreicht werden und der bereits erwähnte Großteil unserer heutigen Patienten kann, unabhängig von allen weiteren Parametern, in einer 8-Wochen-Therapie mit einer Effektivität von 97 bis 99 % behandelt werden. Dies ist schon ein bemerkenswerter Erfolg, dass es nun nur noch einige wenige Subgruppen gibt, bei denen man vor der Behandlung noch etwas differenzieren muss.

Wie ordnen Sie neue Therapieregime wie Maviret ein? Ist zu erwarten, dass diese die Patientenlandschaft spürbar verändern werden?

Prof. Sarrazin: Eigentlich kann man sagen, dass jede neue Zulassung in den letzten Jahren ein kleiner Innovationsschub war und die Therapielandschaft verändert hat. Schließlich ist es ja auch sinnvoll, dass nur Substanzen die Zulassung erlangen, die auch wirklich noch einen Schritt nach vorne bedeuten. Das trifft auf jeden Fall auch auf Glecaprevir/Pibrentasvir zu. Darum glaube ich, dass sich mit Maviret die Therapielandschaft noch weiter dahingehend ändern wird, möglichst viele Patienten, in möglichst kurzer Zeit und möglichst effektiv behandeln zu können. Unser Ziel ist eine breite Therapie für einfach zu behandelnde Patienten, die es nicht nur hoch ausgebildeten Hepatitis-C-Experten ermöglicht, die richtigen Regime für den jeweiligen Patienten auszuwählen.

Was bedeutet das neue Therapieregime nun für die behandelnden Ärzte? Und haben diese Regime eine Auswirkung darauf, wo und von wem HCV-Patienten zukünftig therapiert werden?

Prof. Sarrazin: Von der Hepatitis-C-Therapie durch Allgemeinärzte sind wir noch ein Stück entfernt. Das liegt sowohl an der bisherigen Komplexität, die sich in den Köpfen festgesetzt hat, als auch daran, dass HCV-Therapien das Budget dieser Kollegen immer noch erheblich belasten würden. Bei den niedergelassenen Fachärzten mit hepatologischem Schwerpunkt hingegen ist meine sichere Hoffnung, dass durch die einfacheren Therapien, wie Glecaprevir/Pibrentasvir, eine weitere Verbreitung der Hepatitis-C-Behandlung durchaus möglich ist. Allerdings erwarte ich dennoch, dass Patienten mit Begleiterkrankungen wie Leberzirrhose oder dekompensierter Leberzirrhose sowie begleitenden Therapien wie z. B. Dialyse, weiterhin eine abschreckende Wirkung auf niedergelassene Ärzte haben werden, sodass diese Patienten weiterhin an Fachzentren überwiesen werden.

Die Problematik liegt bei Hepatitis C auch daran, dass die Erkrankung in den meisten Fällen lange unentdeckt bleibt. Was können einzelne Gruppen dazu beitragen, mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Menschen zu identifizieren?

Prof. Sarrazin: Eigentlich müssen alle im Konzert agieren. Und das ist nicht einfach. Wir haben anhand der großen Kampagnen für die HIV-Infektion gesehen, dass es gelingen kann, wenn alle an einem Strang ziehen. Zwar sehe ich es skeptisch, dass wir für Hepatitis C die gleiche Durchdringung erreichen können, da die Erkrankung nicht dieselbe Bedrohung darstellt. Dennoch ist Awareness sicherlich das große Thema für alle Beteiligten: die Fachgesellschaften, die Pharmaindustrie, für die Selbsthilfegruppen und natürlich auch die Ärzte. Da die meisten Patienten in Deutschland von Hausärzten versorgt werden, sollte es unser Ziel sein, dass auch diese an Hepatitis C denken und bei der großen Zahl an bisher nicht diagnostizierten Patienten lieber einmal zu viel auf die Erkrankung testen. In Summe glaube ich, dass wir vieles erreichen können, wenn wir alle gemeinsam vorgehen, um Patienten aufzuklären, zu identifizieren und erfolgreich zu therapieren.


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