Interview Prof. Jörg Petersen, Hamburg
Hepatitis B – Die neuen deutschen Leitlinien

 Prof. Jörg Petersen,  IFI-Institut  Leberzentrum  Hamburg

Prof. Jörg Petersen,
IFI-Institut
Leberzentrum

Hamburg

Die Leitlinien der EASL zur Hepatitis B wurden kürzlich aktualisiert. Nun werden auch die deutschen Leitlinien überarbeitet. Was wird es hier Neues geben?

Prof. Petersen: Die deutschen Leitlinien werden nicht grundlegend anders als die europäischen. Inhaltlich werden wir u.a. die neue Klassifikation und Nomenklatur übernehmen, die den natürlichen Verlaufsphasen der Hepatitis B entsprechen. Dann wird es den immuntoleranten hochreplikativen Virusträger nicht mehr geben, sondern die HBeAg-positive HBV-Infektion. Das ist kein Verlust, sondern ein Fortschritt, der Verständnis und Verständigung erleichtert.

Ergeben sich daraus Konsequenzen für die Therapieindikation?

Prof. Petersen: Nein, aber es ist vielleicht einfacher, die Indikation zu sehen. Hepatitis bedeutet inflammatorische Aktivität und das ist eine Behandlungsindikation. HBV-Infektion bedeutet zunächst keine Entzündung, also keine Behandlung – mit den Ausnahmen Leberzirrhose, Schwangerschaft mit hoher Viruslast und weiteren Spezialsituationen.

Besonders viel diskutiert wird das Thema Therapiestopp. Was gibt es hier Neues?

Prof. Petersen: Die EASL gebraucht hier eine ganz weiche Formulierung: Bei HBeAg-negativen Patienten ohne Zirrhose und mindestens 3 Jahre Nukleos(t)idtherapie ohne Viruslast „kann man daran denken“. Das wird voraussichtlich in den deutschen Leitlinien auch so kommen.

Und was meinen Sie persönlich zum Therapiestopp?

Prof. Petersen: Ich bin da skeptisch. Die Daten auf denen diese Empfehlungen beruhen, stammen von einer griechischen Kohorte. Meine Kritik: Es ist überhaupt nicht klar, ob diese Patienten vor Therapie überhaupt behandlungsbedürftig waren. Deshalb bin ich konservativ und empfehle weitere Studien. Ein weiterer Aspekt beim Therapiestopp ist, dass die Patienten dann meist plötzlich wieder infektiös sind, was Patienten mit schlechten deutschen Sprachkenntnissen schwer zu vermitteln ist.

Wie gehen Sie mit Flares um?

Prof. Petersen: Nach Therapiestopp kann es zu Flares kommen, deshalb soll man nur bei Patienten ohne relevante
Fibrose/Zirrhose absetzen. Die Flares sind auch erwünscht. Man hofft, dass das Immunsystem reagiert und das quantitative HBs-Antigen abnimmt. Wann man dann wieder behandeln muss, ist noch nicht ganz klar. Auf jeden Fall sollte man alle 14 Tage die Transaminasen kontrollieren.

Welche Rolle spielt das quantitative HBsAg?

Prof. Petersen: Das quantitative HBs-Antigen gehört mittlerweile zum Routinelabor. Es charakterisiert den Verlauf der Infektion sehr gut, insbesondere bei behandelten Patienten und es hilft bei der Frage nach Therapiestopp auch weiter, sowie zur Beurteilung von PEG-IFN Therapien.

Wird es Neuerungen bei den empfohlenen Medikamenten geben?

Prof. Petersen: Lamivudin ist ja schon lange nicht mehr Mittel der Wahl. Dennoch hat es allerdings sehr lange gedauert, bis sich das überall durchgesetzt hat. Grund dafür war vor allem der deutlich höhere Preis der empfohlenen Medikamente Entecavir und Tenofovir. Hier gibt es erfreuliches zu vermelden: Beide Medikamente sind seit kurzen auch
generisch erhältlich und damit billiger.

Nun gibt es ja auch eine neue Tenofovir-Variante...

Prof. Petersen: Die neue Variante Tenofovir-Alafenamid ist virologisch genauso wirksam wie Tenofovir-Disoproxil, hat aber weniger negative Auswirkungen auf Niere und Knochen. Die europäischen Leitlinien sagen hier bei älteren Patienten und Patienten mit Nierenproblemen „daran denken“. In Deutschland gibt es allerdings das Problem: Wenn der GBA keinen Zusatznutzen der neuen Tenofovir-Form sieht, wie steht es dann mit der Wirtschaftlichkeit der Verordnung? Hier muss man auf den Preis schauen und gut begründen.

Gibt es noch weitere relevante Neuerungen?

Prof. Petersen: Noch zwei Neuerungen sind wichtig: Nach Leber-Transplantation kann man bei Patienten mit geringem HBV-Reaktivierungsrisiko das teuere Immunglobulin HBIg absetzen und statt dessen nur mit Entecavir oder Tenofovir weiter behandeln. Und in der Schwangerschaft wird als Mittel der Wahl Tenofovir empfohlen.

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